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„Queen Blood“ von Ousmane Sy im Frankfurter Mousonturm
„Vertical Road“ der Akram Khan Company im neuen Aufführungsort Frankfurt LAB
Da versucht einer durch eine Folie, die den ganzen Hintergrund überzieht, auf die Bühne durchzudringen. Er agiert dabei wie ein Sumo-Ringer. Dann entdeckt er die zu Salzsäulen erstarrte Gruppe Menschen und passt sich an, gibt aber durchgängig den Suchenden, der schließlich von einem symbolischen Lichtstrahl erleuchtet wird und die Magie seiner Hände entdeckt. Es gibt Bilder, die an die Grenze zum Kitsch gehen, wenn der solchermaßen Erleuchtete zu einer Art Messias oder Meister wird. Doch „Vertical Road“, so heißt das neue Stück der Akram Khan Company, hält das aus. In beeindruckenden Szenen entdeckt der Sinnsucher die Manipulierfähigkeit der Mitmenschen, lernt Hilfsbedürftige zu unterstützen und die körperliche Liebe kennen. Am Ende ist er wieder allein, nun sind die anderen jenseits der Grenze und er kann sie nicht mehr erreichen. Die Vorhangfolie fällt, das Licht geht aus und Schweigen. Schlicht das Ende der Sinnsuche oder die Geburt des Individuums? Die Interpretation wird je nach eigener Herkunft wohl unterschiedlich ausfallen. Das Frankfurter Publikum zeigte sich begeistert.
Zuletzt war der britisch-indische Choreograf Akram Khan mit seiner Company 2008 zu Gast in Frankfurt, in der Jahrhunderthalle Höchst zu sehen mit seinem weltweit erfolgreichen Stück „bahok“ (= Lastenträger). Das Miteinander verschiedener Kulturen und Religionen ist dem in London aufgewachsenen Sohn einer aus Bangladesh stammenden Familie in die Wiege gelegt. Er studierte neben dem westlichen zeitgenössischen Tanz auch den indischen Kathak. Akram Khan erhielt zahlreiche Preise und arbeitete mit vielen Berühmtheiten, auch aus der Film- und Musikszene, zusammen. Das aktuelle Gastspiel in Frankfurt an zwei Abenden war ausverkauft, und das sogar im relativ neuen, zusätzlichen Veranstaltungsort Frankfurt LAB, der um einiges größer als der Stammsitz des Veranstalters Künstlerhaus Mousonturm.
„Vertical Road“ wurde im September 2010 in England uraufgeführt. Die internationale Koproduktion erzählt in eindrucksvollen Bildern von der Spiritualität des Menschen, zeitweilig übt sie eine nahezu unwiderstehliche Sogwirkung aus. Das 70-minütige Tanzstück wurde gemeinsam von dem internationalen Ensemble entwickelt. Es erinnert an archaische Zeiten als der Mensch noch in der Wüste lebte und zum Überleben auf die Gruppe angewiesen war, wirkt mal geheimnisvoll mystisch, mal bedrohlich. Obwohl die zierlichen Körper der drei Tänzerinnen im starken Kontrast zu den beinahe athletischen Körpern der fünf Tänzer stehen, sticht dies nur an wenigen Stellen hervor. Was neben dem ritualisierten Gruppentanz auch an den Kostümen liegt, die für alle gleichermaßen aus einer Hose mit Rock besteht gemäß dem Gehalt des Stücks, das laut Programmheft von der Sufi-Tradition und dem persischen Philosophen Rumi inspiriert ist. Neben stark treibenden Trommelrhythmen, die Afrikanisches transportieren, gibt es auch viele ruhige, geradezu meditative Szenen. Der Weltmusik-Mix von Nitin Sawhney umfasst orientalisch Klingendes mit christlichen Chorälen oder wabernden Klangteppichen. Das ist keine distanzierte Tanzaufführung mehr, das ist ein Erlebnis, das dank der zeitweilig dröhnenden Lautstärke und oft durchgängigen Rhythmen auch für die Zuschauenden körperlich spürbar wird.
Die nächsten Aufführungen im Rahmen des internationalen „Cutting Edge Move 2011“-Tanzfestivals siehe www.mousonturm.de.
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