Die nächste Generation kommt
Choreografie ist Beruf, Handwerk und Talent. Ein Blick auf Weiterbildungsangebote in der Schweiz
An der Palucca Hochschule präsentieren die ersten Absolventen des neuen Bachelorstudienganges eigene Choreografien
Es ist vollbracht. An der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden ist die Bachelorausbildung Tanz etabliert, mit sechs Absolventen hat der erste Jahrgang sein Ziel erreicht. An drei Abenden gab es öffentliche Präsentationen ihrer Choreografien in der Hochschule, respektable Talentproben für die fünf jungen Tänzerinnen und einen Tänzer, deren Ausbildungsschwerpunkt unverkennbar der Tanz war.
Wie sie es mit den klassischen Tugenden halten, das enthalten sie uns vor, keine der Tänzerinnen geht auf die Spitze oder hat es einer Kollegin in der Choreografie abverlangt. Und am Ende hat man den Eindruck, auf die Spitze getrieben wurde hier aber auch nichts, man bleibt moderat und ganz selbstverständlich auch modischen Strömungen verpflichtet, etwa wie bei Forsythe einen Scheinwerfer dem Tänzer nachzuschieben. Überwiegend auch der Trend sich auf Klangflächen, zu elektronischen Sounds zu bewegen; inwieweit Tanz und Musikalität, Bewegung und Rhythmus korrespondieren, scheint derzeit weniger gefragt zu sein. „6 X 2“ heißt das Motto des Abends, jeweils in einem Duo tanzt der choreografierende Tänzer selbst mit einer Kommilitonin oder einem Kommilitonen. Es sind jeweils, und das macht diesen Abend so sympathisch und letztlich auch spannend, sehr individuelle Arbeiten, die nicht zuletzt den persönlichen Erfahrungen junger Studierender am Ende einer Ausbildung geschuldet sein mögen.
„Punkt Punkt, Strich“ nennt Madlen Engelskirchen ihr Duo, das sie mit Sarah Elisabeth Lewis tanzt, sie möchte in der Spannung zwischen Kommunikation und Verweigerung, synchronen Abläufen und bewussten Einzelgängen wohl aller gängigen Praxis entkommen, mit zwei Punkten, einem Komma und einem Strich Menschen gleichmachende Mondgesichter zu verpassen. Viktoria Krimmel gestaltet eine Episode aus der griechischen Mythologie, lässt zu spätromantischen Klängen Arachne und Athene aufeinander treffen. Dass dabei der sprunggeübte Marc Wandsleb mit goldenem Kriegerhelm und freier Brust den Part der Athene gibt, dass beiden der Ausflug in neoklassische Gefilde Spaß macht, verrät Sinn für Präsenz und Humor.
Einen schwarz-weißen Wettkampf auf dem Spielfeld der Könige hat Wiebke Bickhardt für sich und Jossia Clement als „friedliches Duell zweier Einzelkämpfer“ mit dem Titel „d2-d4; d7-d5“geschaffen. Thomas Hart tanzt mit Seraphine Detscher seine Choreografie „Hope(less)ful“. Unübersehbar ist die überspringende Lust an der puren Bewegungsfreude des Tanzes, dabei entstehen attraktive Assoziationen zu besten Showelementen. Empfindsamkeit und abgestimmtes Miteinander kommen nicht zu kurz, und ihrem Motto, dass es gelte, die Schönheit in den Augen des Zuschauers zu wecken, bleiben sie verpflichtet.
Der Umgang mit dem Licht, die Verfolgung durch einen grünen Laserpunkt, der in einer der beiden Tänzerinnen etwas auslöst, die andere unberührt lässt, bestimmt die Arbeit „INFI.NITA“ von Vera Ilona Stierli, die sie mit Sarah Elisabeth Lewis präsentiert. Irene van Dijk schließlich beschäftigt sich in ihrer Choreografie „Melting Clocks“ zu Klängen von Siggy Blooms & Max Richter mit Situationen selbstgewählter Rückzüge und umschließt sich mit einem Kreidekreis, der sich zum Zifferblatt eines Geschwindigkeitsanzeigers wandelt. In die Welt außerhalb ihrer selbstgezogenen Rückzugsgrenzen bringt sie die tänzerische Begegnung mit einem anderen Menschen, Lester Rene Salvarez. Am Ende verwischen Grenzen und Abgrenzungen, verändert sich das Zeitmaß.
Keiner der Arbeiten mangelt es an grundsätzlichen Ideen und Motiven, die der dramaturgischen Schärfung bedürften, was aber hier den Rahmen sprengen würde. Sehr junge Tanzstudenten stellen ihre Choreografien vor: dies bedenkend, bekommt der Abend samt allem sympathischen Charme der Unvollkommenheit, erhebliches Gewicht.
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