No Ballet zeigt in Ludwigshafen erneut 16 choreografische Arbeiten im Wettbewerb

Es muss nicht immer Liebe sein

Ludwigshafen, 15/11/2012

„Ich hasse Dich“ heißt das Gewinnerstück beim Internationalen Choreographie-Wettbewerb No Ballet im Ludwigshafener Pfalzbau. Candelaria Antelo aus Argentinien und Arthur Bernard Bazin aus Frankreich haben es zusammen choreografiert. Sie tanzen ein sich gegenseitig anziehendes, mit schnellen, harten Küssen ins Gesicht schmatzendes Paar, das sich im nächsten Augenblick mit Schlägen und Tritten drangsaliert. Gleichzeitig kleben sie fast das gesamte Stück aneinander wie Kletten: Mal hockt die Tänzerin auf dem Rücken des Partners, mal klebt sie ihm am Bein als schweres Gewicht und wird im nächsten Moment zu Boden geworfen. Nicht anders ergeht es dem männlichen Part, der nach den vielen Körperstößen seiner Partnerin am Boden liegt – mehrmals lässt sie seinen Kopf brutal wie einen Ball bouncen und macht es sich zum Schluss auf seinem Rücken gemütlich. Das Publikum – zahlreich ist es zum Finale von No Ballet erschienen – ist begeistert. Und deswegen gibt es für „Te Odiero“, so der Titel im Original, auch noch zum Hauptgewinn den Publikumspreis dazu. Damit erfüllt die Tanzarbeit alle Kriterien, die der Jury zur Bewertung dienten. Etwa der Umgang mit Musik oder den erzählerischen Elementen, die Komposition der Choreografie von Anfang bis Ende. Allem voran steht aber die Idee und ihr innovativer Kern. Es sollte auf jeden Fall etwas Neues, sehr eigenes im Tanz aufscheinen, so der Hinweis aus der Jury.

Einen hohen Anspruch stellt der Wettbewerb an seine Bewerber. Und nicht immer lässt er sich so ganz erfüllen. Neben den tänzerischen Qualitäten zeigen die Gewinner in „Ich hasse Dich“ auch sehr akrobatisch anmutenden Tanz. Im vergangenen Jahr gewann die deutsche Gruppe HeadFeedHands mit vor allem akrobatischer Kunst den ersten Preis. Innovativ ist dieser Stil auf jeden Fall, wenn er mit zeitgenössischen Tanzelementen kombiniert wird. Nur will man nicht jedes Jahr mit akrobatischem Tanz konfrontiert werden – da bleiben Überraschung und Neuwert auf der Strecke. Einem ganz anderen Stil hat sich der Portugiese Patrick Lander verschrieben. In „Cascas d'Ovo“ (Eierschalen) liefert er sich mit seinem Partner einen Schlagabtausch der besonderen Art.

Blind, weil mit Augenbinden versehen, zertreten die Tänzer am Boden liegende Eier und stehen sich dann gegenüber. Nun folgt ein Schlag – ins Gesicht, auf Schultern, Oberschenkel – präzise auf den anderen. Daraus entsteht nicht nur rhythmisches Klatschen, sondern auch viel Komik, die dem Team den 2. Preis sichert. Der ist allerdings geteilt und geht zur anderen Hälfte an Tillmann Becker aus Deutschland. In „The One We Act, The Other We Are“ tanzen die beiden Protagonisten zu-, mit und gegeneinander, ohne sich aus den Augen zu verlieren. Dem Titel und seiner Botschaft werden die beiden Tänzer in dieser fein abgestimmten Arbeit vollkommen gerecht.

Um so mehr erstaunt die Arbeit von Fang-Yu Shen aus Taiwan, die für „Countless In Reversing Gear“ den 3. Preis bekommen hat. Aus modernen und zeitgenössischen Tanzvokabeln baut die Choreografin ihr Stück als Umweltkritik. Dabei tanzen zwei Tänzerinnen und ein Tänzer mit fließenden Bewegungen, die außer schöner Form nichts anderes offenbaren. Ein netter Pop-Song auf der Tonspur spiegelt den seichten kitschigen Fluss des Tanzes. Schade, hier hat die Jury offenbar ihre eigenen Bewertungskriterien ignoriert. Weder der Umgang mit Musik, die choreografische Komposition noch der Tanz an sich haben Neues im Sinn. Dafür zeigen die Verlierer von No Ballet nicht nur viel Gespür für Humor im Bewegungsspiel – „Chamaillerie“ von John Degois aus Frankreich – sondern auch Lust auf konsequente Bewegungsanalyse wie etwa die Arbeit der Amerikanerin Elisabeth Erber mit „Choro Corpora“. Für Ludwigshafen bleibt der Internationale Choreografische-Wettbewerb mit zeitgenössischem Tanz und HipHop ein offenes Spielfeld für neue Ideen.

Die Gewinner von No Ballet: 1. Preis (7.500 Euro) und Publikumspreis (500 Euro) „Te Odiero“ von Candelaria Antelo und Arthur Bernard Bazin; 2. Preis (5.000 Euro) „Cascas d’Ovo” von Patrick Lander; „The One We Act, The Other We Are” von Tillmann Becker; 3. Preis (2.500 Euro) “Countless In Reversing Gear” von Fang-Yu Shen

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