Clownesker Nonsens

Im Hebbel am Ufer wird „After Life“ von Simone Aughterlony & Nic Lloyd zur mäßig amüsanten Suche nach der Post-Existenz

In „After Life“, Mittelteil einer Trilogie zur „Biografie des Körpers anhand von existenziellen Zuständen“, untersuchen Simone Aughterlony & Nic Lloyd, „wie sich zeitgenössische Körperkonzepte zu unseren Phantasien verhalten, die dem Körper eine Existenz über das Leben hinaus wünschen“.

Berlin, 01/10/2013

Da steht man nun als Tor und ist genauso schlau als wie zuvor. Und weiß nicht, ob man lachen darf, soll über das, was sich auf der Szene des HAU3 ereignet. Keine tiefschürfende Recherche um menschliches Befinden, und schon gar nicht eine Neuversion von Goethes „Faust“. In „After Life“, Mittelteil einer Trilogie zur „Biografie des Körpers anhand von existenziellen Zuständen“, so der Programmzettel, untersuchen Simone Aughterlony & Nic Lloyd, „wie sich zeitgenössische Körperkonzepte zu unseren Phantasien verhalten, die dem Körper eine Existenz über das Leben hinaus wünschen“. Dazu verwandeln sich die Performer aus Neuseeland in „Post-Körper“, „durchlaufen verschiedene Stadien des Zerfalls“, um „eine Geschichte des Körpers zu finden“. Was auf Erklärung aller Dinge hinzielt, die die Welt im Innersten zusammenhalten, hat die folgende 70-minütige szenische Realisation.

Hinter neonbeleuchtetem Inspizientenpult wartet ein Techniker auf das Ende der Vorstellung. Die findet in einem Halbrund statt, Theater oder TV-Studio, aus dem Disput, Gelächter und so viel Applaus tönt, wie ihn sich Aughterlony für ihre Premiere wünscht. Kostümiert als Tod nähert sie sich dem Techniker, der sie freilich nicht erkennt, observiert seine Umgebung, setzt sich ihm auf den Schoß. In der Talkshow verkündet ein Mann, er sei ein Pferd oder halb Mann, halb Pferd, ein Kentaur. Aha. Nach dem donnernden Beifall beginnen jener Techniker und sein Kollege mit der Demontage der Dekoration, hören dabei Musik aus dem Ghettoblaster. Nachrichten über Ägypten und die Ernte folgt ein Interview über Kompost: Blutige Knochen machen ihn reicher. Wieder was gelernt. Der Tod schleicht neugierig herum und lässt die Gelenke schlenkern.

Seine Situation ändert sich, als ein weißes Gespenst auftaucht. „Be mine tonight“ fleht ein Song aus dem Recorder. Während sich dem Gespenst das Laken in der Studiotür verklemmt und es sich bewunderungswürdig windet, masturbiert unverhofft der Tod an Streben und Holzteilen. Falsch gedacht, wer meinte, das könnte der nicht mehr. Am befreiten Gespenst drapiert er herum, steigt in sein Gewand, wieder heraus. Dann klimpert der Tod auf einer Fernbedienung, setzt eine LED-Wand in Betrieb, tanzt nach, was dort verschwommen eine Ballerina zelebriert. Das Gespenst zieht sich eine weiße Jacke über, stülpt ein Basecap aufs Haupt, geht aus, kehrt mit Obst und Gemüse im Beutel zurück. Der Tod umarmt und küsst verzehrend den Körperlosen. Als weiße Tücher auf die Szene fliegen, stopft sie der Gevatter in ein zweites Tod-Kostüm, zieht es, prall gefüllt, hinter sich her und deckt ein Laken darüber. Fertig ist die Picknick-Unterlage. Doch was tun Körperlose mit Esswaren? Sie bewerfen sich neckend, schließlich klemmt sie sich der Tod in sein Kostüm, wobei der Rettich zum Riesenpenis und die Bananenstaude zur goldigen Schambehaarung werden. Als er sich zur Spiegelwand begibt, die das TV-Studio begrenzt, sieht er aus wie eines der surrealen Früchte-Porträts des Mailänder Renaissancekünstlers Giuseppe Arcimboldo.

Sinnigerweise läuft während der Draperie-Szene ein hanebüchenes Rundfunk-Gespräch mit einem „philosophischen Zombie“, der auch nicht essen kann, aber angibt, sich nicht deprimiert zu fühlen. Als sich der Tod dem kriechenden Gespenst aufs Laken stellt, schält sich ein bärtiges Etwas darunter hervor. Dann geht alles rasch. Der Tod entschlummert auf dem Picknicktuch, die Technik sammelt ihm die Naturalien ab, zieht ihn ins Studio, entrümpelt weiter. Gerade noch entkommt der Tod dem Entsorgtwerden, und auch das Gespenst findet wieder ins Schutzgewand zurück. Die Techniker, eben haben sie zu Schmusepop ein Tänzchen gewagt, decken Spiegel und Reststreben mit Tüchern ab, der Tod umkreist sie mit einer Manege des klassischen Tanzes. Dann scheint er von seiner Rolle genug zu haben, nimmt die weiße Glatzmaske ab, verschwindet durch eine Tür, just ehe das Licht erlischt. Existenzielle Zustände, zeitgenössische Körperkonzepte, eine Geschichte des Körpers? Bestenfalls neuseeländischer Nonsens.

Bis 2.10., 20 Uhr, HAU3
 

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