Leere des Herzens
Die getanzte und gesungene Poesie der „Liebe“ von toaspern | moeller
Es beginnt mit hartem Sound. Die Sprünge der zunächst sechs Protagonistinnen und Protagonisten sind verblüffend, sie akzeptieren keine Hindernisse, sie kommen sanft auf, rollen ab, schon sind sie wieder auf den Beinen. Dabei ist das Podest im Leipziger Lofft ganz schön abschüssig und an der rechten Seite gibt es noch eine massive Konstruktion, die wie eine übergroße Wippe auf urbanen Kinderspielplätzen wirkt. Die Schräge macht an. „Schräge Wege“ heißt die neue Produktion der tanzLOOPSkompanie, die in einer Koproduktion mit dem Lofft und dem Leipziger Theater der Jungen Welt entstanden ist.
Kaum ist die Sprungorgie vorüber, da pest in einer Projektion der Boden unter den Füßen der nunmehr fünf Akteure dahin. Straße, Asphalt, auf und ab, kreuz und quer geht es durch Stadtlandschaften mit Abstieg und Aufstieg. Es geht voran. Der Weg ist das Ziel, Stolpern, Stürzen, Fallen inbegriffen. Wie wär's mit einem Flug? Die Lust daran ist immer da, der Tanz macht's möglich, in der Fantasie auf jeden Fall.
Zwei Männer, drei Frauen, unterschiedliche Konstellationen. Ein knappes Solo, ein Duo, miteinander, gegeneinander, ironisch oder zart. Auch aus der Aggression kommt Kraft. Dann finden sich zwei mal zwei Akteure: kann sein, dass die gleichzeitige Choreografie synchron gemeint ist, am Premierenabend klappt das nur bedingt. Das ist kein Beinbruch bei der Vielzahl von Angeboten an Bewegungskommunikation, in der jeder und jede immer nur für Momente zusehen kann, um dann sofort wieder aktiv dabei zu sein.
Manchmal wirkt die Szene als seien wir tatsächlich auf dem Spielplatz, die unausgesprochene Aufforderung mitzuspielen, holt alle immer wieder ins Geschehen. Dann kann es animalisch heiter werden, wir sind im Zoo. Dann gibt es den Kampf um den Platz, wer war zuerst da, wer kann wen ablösen, wer hilft wem auf, wer hat mal Pause.
Die Tänzer Gábor Kohajda und Wagner Moreira präsentieren eine Abfolge komischer Variationen zum Thema, was alles möglich ist im Schuh des anderen, oder besser noch, welche Energie auf den Körper des anderen übergeht, wenn zwei Männer eine verknotete Bindung haben und dennoch tanzen wollen. Sie sind nämlich an den Schuhen zusammengebunden. Überhaupt, die Knoten, die Körperknoten, zu denen es immer wieder kommt, der getanzte Hinfall oder der überwundene Reinfall: Da haben die Tänzerinnen Juliane Bauer, Verena Wilhelm und Maria Zimmermann in der Unterschiedlichkeit ihrer Präsenz immer wieder große und auch sehr schöne Momente in dieser Choreografie von Jana Ressel, die im Untertitel „Stadt Tanz Parkour“ heißt und auch so gemeint ist. Mit Gábor Kohajda hat sie einen Parkourläufer in die Kompanie genommen, dieser gewandte und biegsame Springer, dessen Bewegungen Motive der Street-Art-Dance-Kunst aufnehmen, heizt die ganze Sache enorm an. Die anderen lassen sich anstecken oder bringen mit ihren Motiven des zeitgenössischen Tanzes ganz andere Facetten der fortlaufenden Überwindung von Hindernissen dazu.
Das Ganze funktioniert eigentlich gut, das Publikum ist immer dran, man staunt, man schmunzelt, man ist überrascht. Warum, so fragt man sich allerdings angesichts der rasanten Leistungen dieser Kompanie, muss dann wieder geredet werden? Warum alles, was man ja sieht und spürt, noch mal in unpassenden Worten, die sich auch noch einen sonderbaren, philosophischen Anspruch geben sollen? Ist ja alles nicht nötig, stört doch nur.
Die Kompanie bewegt sich bestens auf den schrägen Wegen, sie meistert die schrägen Ebenen des mitunter schrägen Lebens in der Stadt, Stolpern und Stürzen inbegriffen, dann aber wieder glücklich im Sprung, in der Drehung, im Aufwärtswind.
Und alles kommt noch einmal zusammen in einem berührenden Schlussbild, alle zusammen, ganz nahe, jeder findet den Platz. Alles ganz langsam, nach dem vollen Tempo jetzt Zeitlupe. Aber wir die Zuschauer, wir sehen es genau, das Glück ist trügerisch, alles steht auf der Kippe, das Leben ist eine Wippe, niemals sind alle oben, aber auch niemals alle unten, manchmal, in den glücklichen Momenten, da schweben alle im Gleichgewicht der Balance.
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