Tanzkongress Tag 1
Tanzkongress Tag 1

Tanzkongress 2013 - der Blog

Tag 1: Donnerstag 6. Juni - Eindrücke und Erwartungen

Anna Donderer, Christina Dettelbacher und Anna Wieczorek bloggen zu Workshops, Tagungen, Vorstellungen und Rahmenprogramm

Düsseldorf, 05/06/2013

von Anna Donderer, Christina Dettelbacher und Anna Wieczorek 

Nun hat er endlich begonnen. Der Tanzkongress 2013 in Düsseldorf. Nach langer Fahrt im Kongresszentrum eingetroffen, atmen wir bei Sonnenschein auf dem ausgerollten Rasen vor dem Tanzhaus NRW erst einmal durch. Mit Koffern und Gepäck trudeln sie ein, die Tanzmenschen. Einige, vor allem die aus dem Süden, noch in winterliches Outfit gepackt, versuchen sich erst einmal diesem zu entledigen. Die Füße das Gras spüren lassen, sich erden in den frischen so aufregenden Gefilden. So ganz angekommen sind wir auch selbst noch nicht.


Gemeinsam alleine

Ein Tanz aller – so die Ankündigung der eröffnenden Performance der deutschen Performancegruppe Ligna, die nachmittags auf dem Platz vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus stattfindet. Alle sind zwar noch nicht da – aber die, die da sind, finden sich brav mit ihrem Audio-Guide auf dem großen sonnigen Gustav-Gründgens-Platz ein und lassen sich bewegen. Denn die Bewegung zeigt sich bei diesem „Radio-Ballett“ nicht auf der Bühne, sondern in den Partizipierenden/Zuschauern/Tänzern selbst. Der Audio-Guide gibt Instruktionen, die Masse folgt. Ganz so wie damals Ende der 1920er Jahre, als Bewegungschöre noch ‚in’ waren. Im Gegensatz zu damals gibt’s die Reflektion allerdings immer gleich dazu. Die Stimme, die dich dazu auffordert, dich in einer bestimmten Gruppe zusammen zu finden und diese oder jene Bewegung auszuführen, fragt zwischendurch auch, warum du dich eigentlich gerade von einer Stimme führen lässt. Die Kopfhörer stellen dabei eine weitere Ebene der (medialen) Reflexion dar.

Durch die auditive Separation ist man zugleich getrennt und doch gemeinsam, man bewegt sich kollektiv, hört aber nur ganz für sich die Instruktionen. Und dann merkt man, dass ein paar andere sich gleich bewegen, findet sich temporär in einer Gruppe zusammen und versucht einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. So gehen kollektive in kollaborative Gruppierungen über und enden beim individuellen Wahrnehmen der gemeinsamen Aktion. Einige Zuschauer gehen noch einen Schritt weiter (oder eher zurück) und klinken sich aus dem chorischen Bewegungsfluss aus, um das Geschehen vom Rand aus zu beobachten. Hier erweitert sich das gemeinsame Erleben um eine außenstehende Perspektive, die die bewegten Protagonisten (noch mehr) zu Darstellern werden lässt. Ein Spiel mit Repräsentation und dem politischen Anspruch von Bewegungschören im heutigen Kontext, das alle Beteiligte in Bewegung bringt – wenn auch nur im Kopf.

Nachts sitzen wir bei offenem Fenster und klarem Sternenhimmel in unserem Domizil für die nächsten drei Tage und lassen den ersten, ereignisreichen Tag ausklingen. Die Augen sind müde, doch der Geist ist wach und freut sich auf alles, was da kommen mag. Wir machen es uns in Utopia bequem. Fantasien, aus dem Tag geschöpft, eine Welt, wie sie nach unserem Geschmack immer sein könnte. Im Shuttlebus vom Düsseldorfer Schauspielhaus zum Kongresszentrum „spielen wir Alltag“. Wie wäre es, wenn diese Busgesellschaft aus Tänzern, Choreografen, Wissenschaftlern, Journalisten und Tanzbegeisterten der Normalfall wäre? Man immer umgeben wäre von Gleichgesinnten? Wir die Mehrheit wären? Wie würde die Welt aussehen, wenn dieser erlesene Kreis ganz frei über Förder- und Bildungsstrukturen, kulturpolitische Weichenstellungen und grenzenüberschreitende Kooperationen entscheiden könnte? Wir genießen das Gedankenspiel und vergessen ganz bewusst den Konjunktiv.

Die nächsten Tage werden das Tanzhaus NRW, ganz nach dem Freud'schen Versprecher Marianne Schirges, zu einer „Tanzhaut NRW“ machen. Und natürlich wünschen wir uns, dass die zahlreichen Workshops, Vorträge und Lecture demonstrations wie angekündigt Akkupunkturpunkte der Tanzwelt stimulieren. Doch wir wollen noch mehr. Wir möchten diese Haut auch als Schutz für unausgegorene, aber vielversprechende Ideen. Als Atemorgan, um frei und jenseits von kulturpolitischem Kalkül sprechen und vor allem auch fragen zu können. Als flexible Hülle, die sich in viele Richtungen ausdehnen lässt, um sich danach auch wieder zu schuppen. Eines ist uns in diesen Tagen also am Wichtigsten: Bewegungsfreiheit. Wir erwarten viel und freuen uns. Los geht´s Tanzkongress 2013!
 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern