Sasha Waltz' „Sacre du Printemps“

Sasha Waltz' „Sacre du Printemps“

Ein Gastspiel von Sasha Waltz in Köln, Premieren in Gießen und Ulm

Pick bloggt

An dieser Stelle bloggt Günter Pick in unregelmäßigen Abständen über Tanzereignisse, Tanzpolitik und Vorstellungen.

Köln, 10/11/2014

In kurzem Abstand nach Beginn der neuen Spielzeit gab es in Köln zwei Gastspiele, so dass man denken könnte, der Tanz solle wieder einen größeren Stellenwert bekommen nach der Bankrotterklärung vor Jahren. Ich fürchte aber, das wird ein frommer Wunsch bleiben. Diesmal war Sasha Waltz mit ihrem Ensemble da, das ein Programm bot – quasi als zeitgenössische Fortsetzung des Ballets Russes-Gastspiels des Bayerischen Staatsballetts zwei Wochen zuvor.

Als Höhepunkt und Abschluss des Abends war „Sacre du Printemps“ gedacht, das wir auf Arte anlässlich der Premiere dieser Choreografie in St. Petersburg sehen konnten. Ich war damals ziemlich stolz darauf, dass man diese deutsche Choreografin ausersehen hatte für eine neue Version zur hundertsten Wiederkehr der skandalträchtigen Uraufführung in Paris. Und ich fand, Sasha hat mit diesem weltbesten klassisch-akademischen Ensemble eine gute Arbeit abgeliefert, obwohl ich mit meinem Urteil ziemlich allein dastand. Es schien mir auch, dass man der Wucht dieses Werks auf dem Bildschirm allerdings nicht gerecht werden könne. Und nun, mit dem Gürzenich Orchester Köln und ihren eigenen Tänzern? Leider war das Ergebnis nicht aufregender als die vielen anderen Versionen, die mir auch nach Jahren – zum Beispiel in Leipzig (Choreografie Dietmar Seyffert) als es noch zur DDR gehörte – in Erinnerung geblieben sind; zu nennen wäre auch die letztjährige Ausgrabung der Wigman-Version des TanzFonds Erbe, Pina Bausch oder Maurice Béjart. Deren Bewältigung, so unterschiedlich ihre Versionen auch sind, mögen kommenden Generationen erhalten bleiben! Das Kölner Publikum war sehr zufrieden mit den beiden vorhergehenden Stücken: „Nachmittag eines Fauns“, das eine unanstößig animalische Ensemble-Choreografie bot und ein Duett, das von Gästen des Balletts der Scala in Mailand angenehm über die Bühne ging. Aber auch dieses Stück – trotz illustrer Interpreten zu feiner Musik von Gounod – blieb mir als fad in Erinnerung.

In Gießen hat der ambitionierte Tarek Assam, Chefchoreograf und Direktor, sich an einem ebensolchen Stück wohl etwas verhoben, denn in der 7. Reihe, wo ich platziert war, sprang kein Funke über. Leider waren für mich die Zusammenhänge, die es laut Programmheft wohl gab, nicht schlüssig oder nachvollziehbar. Man verzeihe mir diese altmodische Herangehensweise eines simplen Zuschauers – obwohl Insider, der ich ja doch bin – wenn ich ins Theater gehe. Ich glaube, warum die Leute um mich herum so begeistert waren, ist den Tänzern und dem Bühnenbild zuzuschreiben. Da hat der Direktor – und auch das zählt bei einem Choreografen mehr als gewöhnlich bedacht wird –  Großes geleistet.

Ich habe mit dem größten Ereignis begonnen, und ende mit dem kleinen Tanzabend im Podium des Ulmer Theaters. Ein rundherum erfreulicher, fast unprätentiöser Abend mit zwei Jungchoreografen und dazwischen ein neues Stück des Chefchoreografen Roberto Scafati, der zur Begleitung von zwei hervorragenden Musikern von der Schwierigkeit berichten wollte, eine junge Frau zu sein. Immerhin ist er sehr expressiv und auf hohem Niveau gescheitert. Etwas Ähnliches könnte ich über das Stück eines Newcomers aus Würzburg sagen: Ivan Alboresi. Wenn das außerordentliche Talent, das er offensichtlich für Choreografie und Inszenierung hat, auf Dauer nicht nur Versprechen bleibt. Er schafft es, die wunderbaren Tänzer in Ulm von ihrer besten Seite zu zeigen und das ist vorneweg Lorenzo Angelini mit Sprüngen und Drehungen, wie man sie im zeitgenössischen Tanz nur selten zu sehen bekommt. Auch das dritte Stück von Paul Julius ist ein Tänzerstück und reißt das Publikum schließlich von den Stühlen. Das ist eine Kunst, die ein Choreograf erstmal hinkriegen muss. Die drei Stücke haben natürlich jeweils einen Titel, aber diese möchte ich nicht weiter ausführen, denn damit müsste ich zu dem Satz zurückkehren: ein fast unprätentiöser Abend.

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