Themenvielfalt und Tanzbegeisterung
Das 4. Tanztreffen der Jugend lädt eine Woche lang ins Haus der Berliner Festspiele
Eindrücke vom bundesweiten 1. „Tanztreffen der Jugend“ in Berlin
Seit jenem 27. August gehört er dazu. Mit dem 1. „Tanztreffen der Jugend“ hat die Kunst des bewegten Körpers Eingang in die Bundeswettbewerbe gefunden, wie sie das Bundesministerium für Bildung und Forschung schon seit Jahren ausrichtet. Neben die Ausscheide in den Sparten Literatur, Musik, Film und bildende Kunst tritt nun ebenbürtig der Tanz und hat vom Theatertreffen der Jugend gleich seinen korrespondierenden Namen erhalten.
Sieben ausgewiesene Juroren unter Leitung von Martina Kessel, allesamt pädagogisch tätig, haben zuerst bang auf Bewerbungen gewartet – und wurden angenehm überrascht. Rund 60 Gruppen traten in den Wettbewerb ein, genau jene, an die er sich auch wendet: Theatern wie in Saarbrücken, Oldenburg oder Bochum assoziierte Truppen; freie Companies wie aus Stralsund, Köln, Münster; aus verschiedenen Schulen rekrutierte Zirkel wie aus Berlin. Dies zumindest ist der Fall bei den sieben geladenen Ensembles, die im Haus der Berliner Festspiele auftreten, in gemeinsamen Workshops kommunizieren und sich einfach „nur“ kennenlernen. Dass Bewerbungen aus sämtlichen Bundesländern eingegangen waren, mit Nordrhein-Westfalen (18), Berlin (10) als Spitzenreitern, ist ein überaus erfreulicher Beginn. Die multiplizierende Wirkung des Tanztreffens wird beim nächsten Mal sicher viele andere zu einer Teilnahme ermutigen, die sich bislang noch zurückgehalten haben.
Noch etwas Statistik. Zehn Bewerbungen aus dem Bereich Schule stehen 36 aus dem außerschulischen Bereich, 12 von Jugendclubs an Theatern gegenüber. Hätten alle Bewerbergruppen eingeladen werden können, wären mehr als 580 Spieler beteiligt gewesen. Dass sich mindestens so viele, tatsächlich aber gewiss weit mehr dem Tanz verschrieben haben, stimmt hoffnungsvoll und trägt auch dem wachsenden gesellschaftlichen Ansehen dieser Kunstsparte Rechnung. Dabei stellt die Altersgruppe von 14 bis 17 den größten Teil der Bewerberensembles. Nach Berlin haben es insgesamt 78 junge Tänzer geschafft, und unter ihnen fällt der beachtlich hohe Anteil multikultureller Jugendlicher auf. Sie bringen, das hat die Kurzvorstellung aller Teilnehmer zu Eingang des Wettbewerbs gezeigt, einen besonders wertvollen tänzerisch-künstlerischen Beitrag ein und sind eine immense Bereicherung in den einzelnen Gruppen – von ihrem persönlichen Zugewinn durch den Tanz ganz abgesehen.
Den Eröffnungsabend bestritt die 2009 von der Ex-Ballettchefin Marguerite Donlon am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken gegründete Gruppe iMove. Mit über 20 Tänzern gestaltete sie in der Choreografie von Guido Markowitz und Daniela Rodríguez Romero „Cage“, ein 50-Minuten-Stück um Zwang und Gefangensein, wohl auch gemeint in Vorurteilen. Wenngleich sich nicht alle Bilder und Absichten erschlossen, überwältigten der Spielelan und das Tanztemperament der Akteure – auf einem Niveau, das etliche der Offerten im zeitgleich laufenden Festival „Tanz im August“ ziemlich alt aussehen ließ. Gerieten die Gruppenszenen überaus sauber, begeisterten die Soli bei profundem Können mit allem Feuer jugendlichen Wollens. Das Repertoire reichte dabei von Spielarten des HipHop bis zu Duetten auf zeitgenössischer Basis.
Auf ähnlicher Grundlage und ebenfalls unter Mitwirkung der Akteure sind auch die anderen sechs Wettbewerbsbeiträge entstanden. Ihre Themen sind Selbstbestimmung innerhalb einer Gruppe; Jugendsprache, Jugendgewalt und Lebensentwürfe; die Wünsche an ein Zuhause, wie sie Jugendliche aus dem betreuten Wohnen artikulieren; das Miteinander südafrikanischer HipHop-Tänzer und einer befreundeten deutschen Gruppe im Verständnis von Freiheit; aber auch der Spaß am Rollenspiel von Comic-Helden.
Nicht nur auf der Szene gibt es Elemente von HipHop, Parkour, Voguing zu sehen. Auch in den zahlreichen Praxis-Workshops mit renommierten Experten umfasst das Angebot so ziemlich alles, was den Tanz ausmacht, von Improvisation über Martial Arts bis zu Yoga. Dass zudem über Partnering und Neoclassical auch der klassische Tanz einbezogen wird, dürfte manchem eine bislang fremde Welt öffnen. Positiv zu Buche schlagen ebenso Foren, in denen man seine theoretischen Kenntnisse erweitern kann: wie man mit dem Körper eine Geschichte erzählt; wie man Musik, Video, Sprache einsetzen kann; in welchem Verhältnis Tanz und Theater stehen.
Dass dieses 1. „Tanztreffen der Jugend“ ein verheißungsvoller Auftakt ist, bei den Aktiven auf breite Zustimmung stößt und Signalwirkung für andere haben wird, ist keine Frage. Wenn die zweite Ausgabe nächstes Jahr auf einen Zeitpunkt frei von konkurrierenden Veranstaltungen wie „Tanz im August“ und „Tanznacht Berlin“ gelegt wird und vielleicht im Interesse noch größerer stilistischer Vielfalt Abgesandte aus den Musikschulen und Konservatorien zu begrüßen sind, dann hätte diese dankenswerte Initiative endgültig volle Wirkung entfaltet.
noch bis 1.9.
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