Kampf um Aufbruch und Aufmerksamkeit
Das Haus der Berliner Festspiele lädt zum 3. Tanztreffen der Jugend
Das 4. Tanztreffen der Jugend lädt eine Woche lang ins Haus der Berliner Festspiele
Die 80 Bewerbungen von Amateurgruppen republikweit beweisen das starke Interesse ihrer jungen Teilnehmer, die entstandenen Stücke vor einem überregionalen Publikum zu zeigen - und sich auch wetteifernd mit den anderen erwählten Gruppen zu messen. Acht berufene Juroren haben sieben zeitgenössische Produktionen ins Haus der Berliner Festspiele eingeladen, das traditionell als Gastgeber des Wettbewerbs firmiert. Dort erwartet die 90 Gäste zwischen 8 und 27 neben der Aufführung ein reichhaltiges Programm an Workshops: vom Erlernen vieler verschiedener Tanzstile über Improvisation, Partnering und Stückauswertung bis hin zu physiotherapeutischen Problemen und der Stadttour. Im Zentrum theoretischer und praktischer Betätigung steht der Raum: als Umgebung des Einzelnen, als Spannungsfeld zweier oder mehrerer Körper, als dreidimensionaler Ort für den Tanz. Dass bereits am Eröffnungsabend der Charakter eines Austauschs anstelle von Wettbewerb betont wurde, macht die entspannte Atmosphäre unter den Teilnehmern verständlich.
Schon die Vorstellung der sieben Gruppen in einer vorgegebenen kleinen Aufgabe ließ die Vielfalt der Tänzer erkennen, nicht nur typlich, sondern erfreulicher Weise auch durch den Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Sie alle zusammen sind Deutschland und bringen Courage, neue Sichtweisen und bereichernde Experimentierfreude ein. Beispiel dafür ist auch die Tanzgruppe des ACADEMY Produktionshauses in der Alten Feuerwache an der Oranienstraße. Sie leitete mit ihrem ersten gemeinsamen Stück den Bundeswettbewerb ein. Mag „#2 Von der Schönheit und Seltsamkeit des Anlehnens“ als Titel ungelenk lang klingen, fiel die Performance alles andere als langatmig oder ungelenk aus. Was die Choreografinnen Eliane Hutmacher und Susanne Martin mit den sieben Tänzerinnen und einem Tänzer erarbeitet haben, amüsierte durch die gestaltete Idee und ihre humorige Umsetzung. Einziges Requisit auf weiter Szene ist ein gemütliches blaues Sofa.
Das wird im Lauf der einstündigen, dynamisch variabel gebauten fröhlichen Recherche zum Hort verschiedenster Begegnungen und Begehrlichkeiten. In Kurzminiaturen stellen sich die Akteure namentlich vor, ehe sie sich in freier Formensprache und ganz natürlichem Bewegungsempfinden ein barockes Konzert erobern. Die Beziehung von Körper und Umgebung soll erforscht werden, von Haut zu Haut, Haut zu Boden, Körper zu Sofa. Dem Text folgt die Tat. Zu Free Jazz treten je zwei Tänzer in Kontakt, verschränken und verklammern sich, stürzen aus der Balance zu Boden. Als das in Gewalt ausartet, kommt es zur Einigung: Geht wieder. In Feierabendposition gruppiert man sich auf dem Sofa, nimmt nach verbaler Anweisung weitere Posen ein, freundlich, harmonisch, beim Fußballsehen, Schlüsselsuchen, ungemütlich - da drängen sich die Leiber eng. Ausgesprochen witzig gestalten sich noch weitere Szenen, die mit Körpernähe spielen, auch in der Liebe. Dass ein Mädchen singt, offenbart weitere Talente in dieser Truppe. Als mit einer friedlichen Traumsequenz das Stück endet, hat sie die Zuschauer jubelnd auf ihrer Seite.
Um Erfahrungen aus dem Hier und Jetzt drehen sich auch andere Gastspiele. Side-B aus Neuss thematisiert mit „KörperPoesie“ aus persönlichen Erfahrungen in einer WG-Szenerie den Wunsch nach Gemeinsamkeit; das Tanzlabor Theater Aachen beschäftigt sich in „FACE2FACE“ mit urbanen Rückzugsorten und der Selbst-werdung. Saltazio aus Hildesheim begibt sich als „Das Rudel“ auf eine Reise in Gefühlswelten; ENSAMPLE aus Herne geht in „Stück02“ nach einer Romanvorlage der Frage nach, wie Gewalt und Radikalisierung entstehen und wo sie enden. Die tjg. theaterakademie aus Dresden bringt die Biografien Jugendlicher in Film und Tanz zusammen, während der tanzmainz club vom Staatstheater Mainz im „Happyland“ - was läge näher? - Liebe in ihren Facetten verhandelt.
Bis 29.9., Haus der Berliner Festpiele
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