Man muss die Arbeit lieben
Ein Interview mit Richard Wherlock
Der rätselhaften Märchenfigur Blaubart widmet das Ballett Basel einen zweiteiligen Ballettabend. Nach den Motiven des Frauenmörders Blaubart von Charles Perrault entwickelt Choreograf Stephan Thoss Metaphern für die Liebe. „Blaubarts Geheimnis“ ist ein Ergründen von Leidenschaft und Machkampf.
Was sich liebt das neckt sich, balzt, flirtet, bezirzt, erobert, unterwirft sich. Doch Liebe kann auch scheitern und in Abwendung enden. Den ersten Akt widmet Thoss Beziehungsspielen zwischen Mann und Frau. Er nennt sie „Präludien“ – Vorspiele zur Geschichte, welche im zweiten Teil ihren Lauf nimmt. Tänzerinnen und Tänzer tauchen aus dem Nichts auf. Sie rutschen, rollen, rennen über die Bühne. Sie verschwinden so rasch, wie sie gekommen sind – manche unter der Bühnenwand hindurch. Sie tanzen und kämpfen um die Liebe, um diese wieder zu verlieren. Die Bewegungen wirken hektisch; die Verschlingungen auf dem Bühnenboden komplex. Die Musik des polnischen Komponisten Henryk Górecki unterstreicht die Beziehungsspiele streichelnd zart, teils beklemmend und düster.
Blaubart, der sich an den Liebesspielen nicht beteiligt, lernt die junge Judith kennen. Der reife Mann und das junge Mädel erstarren. Ist es Liebe auf den ersten Blick? Ihre Liebe entfaltet sich im zweiten Teil des Ballettabends zu einer Beziehung der Gegensätze. Judith sieht ihre Liebe zu Blaubart durch die rosarote Brille. Auf Blaubarts Figur hingegen liegen düstere Schatten von ermordeten Seelen. Blaubarts Geheimnisse aus der Seelenkammer lüftet Stephan Thoss Tanzschritt um Tanzschritt. Musik von Philip Glass untermalt die Szenerie mit melancholischen Klängen und einer beinahe hypnotischen Wirkung.
Blaubarts Figur zeichnet Thoss als unheimlichen und doch verführerischen Mann auf der Suche nach Liebe. Javier Rodriguez Cobos (Blaubart) und Andrea Tortosa Vidal (Judith) sind tänzerische Glanzlichter des Abends. Eine Schlüsselrolle spielt auch Blaubarts Mutter – explosiv-sinnlich getanzt von Debora Maiques Marin. Ist sie schuld, dass ihr Sohn keine Beziehung aufbauen kann? Schatten aus der Vergangenheit umschlingen die junge Liebesgeschichte zwischen Blaubart und Judith – bis diese ein Schatten ihrer selbst wird. Stephan Thoss zeichnet das Verhältnis zwischen Blaubart und seiner jungen Frau als archetypisches Beziehungsmuster, das bis heute nichts von seiner Aktualität verloren hat. Blaubarts grausame Geschichte ist tausendmal erzählt – doch noch nie so packend wie in Basel. Ein Tanzabend über Irrungen und Wirrungen der Liebe.
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