Abschluss der Tanzbiennale Heidelberg mit der Baden-Württemberg Gala: Dance Company Nanine Linning
Abschluss der Tanzbiennale Heidelberg mit der Baden-Württemberg Gala: Dance Company Nanine Linning

Wer zählt die Tänzer, nennt die Namen

Tanzbiennale: Die Tanzgala Baden-Württemberg zum krönenden Abschluss

Um den Brückenschlag zwischen freier Szene und Städtischer Bühne noch einmal sinnfällig zu inszenieren, begann der Theaterabend in der Hebelhalle des UnterwegsTheaters und endete im Marguerre-Saal des neuen Theaters.

Heidelberg, 04/03/2014

Baden-Württemberg ist ein reiches Tanzland: den Tanzsparten an Staats- und Stadttheatern steht eine höchst lebendige freie Szene gegenüber. Die Interessen aller Tanzschaffenden werden seit kurzem im Verein TanzSzene Baden-Württemberg gebündelt – und dessen Geschäftsführerin Bea Kießlinger, die wohl beste Kennerin dieser Szene, wurde von der künstlerischen Leitung der Tanzbiennale Heidelberg (Holger Schulze, Nanine Linning, Bernhard Fauser und Jai Gonzales) eingeladen, eine Baden-Württemberg Gala zu kuratieren. Herausgekommen ist ein toller Theaterabend – einmalig nicht nur für Heidelberg, sondern für das ganze Bundesland.

Wann hätte man sonst noch mal die Gelegenheit gehabt, nicht nur Ausschnitte aus aktuellen Produktionen, sondern neben einigen „Sahnestückchen“ auch eine veritable Uraufführung zu erleben? Die TanzAllianz machte es möglich, und um den Brückenschlag zwischen freier Szene und Städtischer Bühne noch einmal sinnfällig zu inszenieren, begann der Theaterabend in der Hebelhalle des UnterwegsTheaters und endete im Marguerre-Saal des neuen Theaters.

Den Auftakt machte das Ballett Pforzheim (ja, das gibt es!) mit einem Gala-Sahneschnittchen – einem Solo im Taschenlampen-Licht des Verfolgers zu Marylin Mansons dröhnendem Song „Lamb of God“. Ausschnitte aus laufenden Produktionen schickten das Ballett Ulm („GleichZeitig“) und das Mannheimer Kevin O`Day Ballett (brandneu: „Tracing Isadora); die Heidelberger Tanzchefin Nanine Linning steuerte den Anfang ihres jüngsten Stückes „Endless“ bei. Choreografin Jai Gonzales, die Hausherrin der Hebelhalle, gab in ihrem „T.R.I.O.“ zur schwerelos schwebenden Interpretation eines Rückert-Liedes von Mahler das Bild einer Frau, die „der Welt abhanden gekommen“ ist - ganz egal, was ihre beiden Tanzpartner mit ihr anstellen.

Wenn man für die breitgefächterten Darbietungen der Tanzbiennale den größten gemeinsamen Nenner suchen würde, dann hieße der vielleicht: zeitgenössische Clowns. Eine originelle Spielart boten die beiden Tänzer des Badischen Staatstheaters Karlsruhe (Arman Slizadyan und Reginaldo Olivera) die mit „Two 4 One“ eine eigene Arbeit präsentierten: nur mit einem einzigen Barcode versehen, lassen sie sich von einem imaginären Scanner in roboterhafte Bewegung versetzen. Aus erotischer Hochspannung in handfesten Streit mit jeder Menge amüsanter Klischees ließ der freie Choreograf Eric Trottier, der am Mannheimer Theater im Felina-Areal produziert, sein Duo „Vertigo“ kippen. Ebenso hoch artifiziell wie komisch war die ganz eigene Breakdance-Variante von Poppin Hood aus Stuttgart. Eine ganz besondere Körpersprache beherrschen auch die Freiburger Tim Behren und Florian Patschovsky in „Overhead Project“, die Tanz mit atemberaubender Akrobatik mixen; sie zeigten einen Auszug aus „EH LA“.

Mehr als Pausenfüller zwischen den beiden Teilen der Gala waren weitere Gäste aus Stuttgart: Backsteinhaus Produktion / Nicki Liszta. Mit zackigen Performances auf der Straße vor dem Theater und im Foyer sorgten sie dafür, dass die Gäste in Stimmung blieben. Die junge Choreografin Nina Kurzeja hatte der Gala sogar eine Uraufführung geschenkt: das ausdrucksvolle Solo „Nothing stays the same“ für die Tänzerin Brit Rodemund.

Geradezu zum Symbol für die Verbindung von freier und etablierter Szene taugt Eric Gauthier, ehemals charismatischer Solist des Stuttgarter Balletts, heute Chef der eigenen Kompanie „Gauthier Dance“, die vom Theaterhaus Stuttgart aus einen wahren internationalen Siegeszug angetreten hat. Er zeigte das Solo „I found a fox“, das ihm Marco Goecke (Choreografie-Senkrechtstarter aus dem Stuttgarter Ballett) auf den agilen Leib geschneidert hat, und mit seiner Kompanie eine originelle Kostprobe von Latino-Temperament und Kuba-Feeling („Malsangre“ von Cayetano Soto). Seine aktuelle Einladung an Nanine Linning, ein Stück für „Gauthier Dance“ zu kreieren, ist wiederum ein Brückenschlag zur Stadttheater-Szene.

Ende gut, alles gut: Bleibt nachzutragen, dass auch nach der rundherum bejubelten Gala die Tanzbiennale noch einen ganz besonderen Programmpunkt bot: „Bastard!“ - die Ein-Mann-Performance des Tänzers und Puppenspielers Duda Paiva. Er besitzt die Gabe seinen selbst kreierten Schaumgummipuppen veritables Leben einzuhauchen und sie als Tanzpartner mit in die skurrile, urkomische und doch höchst poetische Märchenwelt einer Müllhalde zu nehmen.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern