Wer zählt die Tänzer, nennt die Namen?
Fast zu viel des Guten: die Baden-Württemberg-Gala der Heidelberger Tanzbiennale
Von der Decke hängt ein schmelzender Eisklotz. Das tropfende Wasser wird von einem flexibel postierten Behälter aufgefangen, der bei Füllung kippt und seinen Inhalt auf eine schräg aufgespannte Plastikplane entleert. Die Talfahrt des Wassers endet auf einer heißen Metallplatte, wo es sich in Dampf verwandelt und so augenfällig den Kreislauf allen Wassers beschreibt. Die Einzelteile gibt es alle im Baumarkt zu kaufen, nur die Idee nicht. Und beim ersten Praxistest gewinnt die Installation ein ungeplantes Eigenleben: Auf der heißen Metallplatte entsteht Rost, und für einen kurzen Augenblick verwandelt sich das Wasser im Auge des Betrachter in Blut, Herzblut womöglich. Denn wir befinden uns an einem Ort, an dem reichlich künstlerisches Herzblut fließt: Im Choreografischen Centrum Heidelberg, angegliedert an die Hebelhalle.
Hier werden im wahrsten Sinn des Wortes Choreografenträume wahr, denn die TANZallianz - ein Zusammenschluss des UnterwegsTheaters und der Tanzsparte des städtischen Theater - bietet internationalen ChoreografInnen, die bereits über eine überzeugende ästhetische Handschrift verfügen, eine Plattform für internationale Kunstproduktion. Sechs ausgewählte Künstler (kuratiert von Jai Gonzales, UnterwegsTheater; Nainne Linning, Tanztheater Heidelberg; Prof. Rosemary Helliwell, Akademie des Tanzes, Mannheim) haben im zweiten Halbjahr hier die Chance, während einer Residenzzeit in höchster Konzentration an einem Projekt zu arbeiten. Das CC bietet nicht nur eine professionelle Bühne als Arbeitsraum, sondern auch Wohnmöglichkeiten für die beteiligten Künstler im Haus – und einen finanziellen Beitrag zu den Produktionskosten.
Wie beflügelnd die ausschließliche Konzentration auf künstlerische Arbeit sein kann, zeigte Magali Sander Fett (Brasilien/ Tanzkollektiv Bremen) bei einem öffentlichen „Showing“. In einem nur zehntägigen Probenprozess ist fast einstündiges tänzerisches Material mit dem Arbeitstitel „Am Wasser“ entstanden - inspiriert von den „Wassererzählungen“ von John von Düffel. Welchen Widerstand bietet Wasser, welche Verlockungen, welche Gefahren? Von der ästhetischen Faszination des Synchronschwimmens bis zur Kälte des arktischen Eises spannt sich der assoziative Bogen. Magali Sander Fett hat über den Probenprozess auf der Website des Choreografischen Centrums (www-cc-hd.de) berichtet – ein spannendes Dokument über Inspirationen und ihre Umsetzung.
Mittlerweile haben sich die öffentlichen „Showings“ am Ende der Residenzen zu einem Treffpunkt für Tanzschaffende und Tanzbegeisterte entwickelt – so erhielt auch Magali Sander Fett vielfältiges Feedback zu ihrer künstlerischen Arbeit, die in Bremen fortgesetzt wird. Die weiteren „Showing“-Termine bis Jahresende stehen schon fest: Lihito Kamiya (Japan) am 18.9., Mandi Huo (China) am 9.10., Evangelos Paulinas (Griechenland) am 30.10., Salvatore Siciliano (Italien) am 20.1. und Wilhelm Groener (Deutschland) am 4.12.
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