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Uraufführung „Ahead“ von Jan Pusch am Staatstheater Braunschweig
Nach der letzten Vorstellung des Tanzensembles des Staatstheaters Braunschweig mit seinem künstlerischen Leiter und Chefchoreografen Jan Pusch mit dem Abend „Welcome to the world“, der sich gar nicht nach Abschied anhört, gab es feuchte Augen und einige freundliche Worte des Intendanten Joachim Klement, der Jan Pusch nur ungern ziehen lässt, aber offenbar den Staatstheaterbetrieb trotz seiner positiven Seiten zur Abwechslung einer etwas weniger behüteten Situation eintauschen will. Ich denke, er verspricht sich davon auch neue künstlerische Impulse, obwohl fünf Spielzeiten nichts ist, wenn man das mal mit John Neumeier, wo Jan als Tänzer seine ersten Lorbeeren verdient hat und der nun mit über 40 Jahren den Doyen unter den Ballettchefs Marius Petipa vom ersten Platz verdrängt hat, vergleicht.
Eigentlich hätte ich Jan ja gern zu mir engagiert ans Staatstheater am Gärtnerplatz München, wo seine Freundin Ulinka Schröder tanzte (sie hat später viele Kostüme für seine Arbeiten entworfen), aber er hatte sich Billy Forsythe in den Kopf gesetzt, was dann nicht klappte. Da war das andere Produkt der Stuttgarter Talentschmiede (Noverre Gesellschaft) Neumeier die Alternative. Ich habe dann auch eine seiner ersten eigenen Arbeiten gesehen, ein Solo beim gleichnamigen Wettbewerb, das er einer interessanten Tänzerin auf den Leib „gestellt“ hatte und dafür den ersten Preis bekam. So begann eine Karriere für einen mit ziemlich viel Intellekt ausgestatteten Choreografen, was nicht immer ungefährlich ist. Denn nicht überall passt den Abonnenten, die schließlich die Versicherung für Akzeptanz in einer Kommune sind, solch vergeistigtes Theater.
Der Abend, mit dem er sich von seiner Wirkstätte verabschiedete, war das sicher nicht, sondern recht gut verständlich. Ob ich das alles richtig verstanden habe, weiß ich nicht, aber ich habe, als der Eiserne hochging, Lebewesen auf der Bühne erkannt, die wie frisch geschlüpfte Schildkröten schleunigst ihrem Lebenselixier, dem Wasser, entgegen robben, bevor sie ein Vogel frisst. Daraufhin wurden sie zu Krabben und die ganze Schöpfung konnte man sich nach und nach mehr oder weniger vorstellen, vom Ensemble fein nachgefühlt. Aber dann wird‘s schwieriger: die Menschheit ist nach Darwin noch gut erkennbar, aber seit dessen Erkenntnissen hat sich ja noch viel getan, nicht im Aussehen, sondern was die innere Entwicklung oder Veränderungen durch die Erfindung des Computers betrifft. Die mögliche Bestimmung des Individuums von außen soll dargestellt werden, teilweise durch roboterartige Wesen. Ich bezweifle, dass dieser Anspruch, den Pusch an sich und sein Stück da stellt, auf einer Bühne darzustellen ist. Und ohne Text sehe ich sogar bei einer Filmversion des Stoffs Schwierigkeiten, aber den Versuch war's wert.
Der Intendant überreichte einen Blumenstrauß, den der Geehrte gleich in sein Publikum warf, was Standing Ovations und feuchte Augen im Auditorium wie auf der Bühne, wo der Blumenrausch sich fortsetzte, nach sich zog.
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