„Bronze by Gold“

„Bronze by Gold“

Bronzekichergold und stilles Brüllen

Dernière: Stephanie Thierschs „Bronze by Gold“

Stephanie Thiersch hörte aus dem überbordend chaotischen Sprachgewirr Ekstase und Rausch heraus und kreierte einen wahren Veitstanz.

Münster, 14/12/2015

Der Anfang des Sirenen-Kapitels „Bronze neben Gold“ in James Joyce's „Ulysses“-Roman ist voller lautmalerischer Ausrufe, Worte, Phrasen und Sätze wie „Fff. Oo. Rrpr“, „Bronzekichergold“, „Kling, klang“, „Platschen und stilles Brüllen“, „hohe, durchdringende Töne“, „überbrüllte donnernde Akkorde“, „Schriller Gelächterschrei“, „Töne zwitschern Antwort“, „Ein heiserer Flötenton blies“ und „In kicherndes Geschmetter verschmolzen junge Goldbronzestimmen“.

Stephanie Thiersch hörte aus dem überbordend chaotischen Sprachgewirr Ekstase und Rausch heraus und kreierte einen wahren Veitstanz mit ihren sieben MOUVOIR-Tänzern, dem belgischen Turntablevirtuosen DJ Elephant Power (alias Nicolas Baudoux) und dem klassisch orientierten Asasello-Streichquartett aus Köln.

Hätten andere Choreografen, insbesondere die reisenden, sich wohl eher elektronischer Soundtracks und Videoprojektionen bedient, um den getanzten Hype bis zur völligen Erschöpfung in ein virtuelles Ambiente zu stellen, so will Thiersch – trotz langjähriger Erfahrung mit der Einbindung neuer Medien – alles ganz authentisch, live. Fast archaische Momente und Elemente werden sichtbar, entsprechend der homerischen Fama. Aber die Joyce'sche Surrealität überwiegt selbst in der Musik. Der DJ schabt, schrappt und kratzt in high speed, schaltet Fetzen elektronischer Kompositionen dazwischen, während sich vor seinem Tisch, von leichtem Diskotanz auf der Fläche zusammenströmend, ein Cluster aus elf Körpern (Tänzer und Musiker) zum Tableau der Menschheit formiert, dann in slow motion auseinander strebt und in den Raum zerfließt. Überhastig und schrill intonieren die Streicher nun Beethovens motivisch und strukturell überladene „Große Fuge“, später „Torso V“ des jungen Ungarn Márton Illés und das extrem aufgeregte, minimalistische „Raga Phi“ des Japaners Hikari Kiyama.

Der ganze Wahnsinn der suchenden Irrfahrt durchs Leben in jedem einzelnen Menschen wird in Thierschs unglaublich facettenreichen, eindrücklichen Bildern sichtbar. Das Weltumspannende des Themas vergegenwärtigen auf beglückend natürliche Weise die sieben Tänzerinnen und Tänzer aus wohl ebenso vielen Ländern und Kulturen. Jeder er selbst - unverwechselbar, einzig. Die kurzen Berührungen sind teils rabiat, teils haltgebend effizient, selten zärtlich.

Wie ein Thespiskarren ohne schützendes Planendach und Holzbänke wird ein Podest auf Rollen genutzt, auf dem sich alle – auch die Musiker – drängen, zusammenkauern, hochragen mit ihren Instrumenten, während die Zierlichste das Seil packt, um allmählich, ganz langsam den kuriosen Zug in Bewegung zu setzen. Vom starren Tableau bis zum kreischenden Crescendo im Prestissimo schrauben sich die Bewegungen hoch. Immer wieder. Grell weiß blendet das Licht, um urplötzlich den Raum in schwarze Nacht zu tauchen. Nur das Keuchen der Tänzer ist dann zu hören – bis alles von Neuem beginnt, in immer anderen Varianten. Grandiose Konterfeis gehetzter Wesen zeichnen die Tänzer mit ihren völlig unterschiedlichen Gesichtern, Köpern und Gebärden. Lautlos schreien und lachen sie, ziehen Grimassen, verbiegen Arme und Beine wie Spastiker, wirbeln wie Derwische, taumeln wie Verrückte im Veitstanz. Ein grandioses Erlebnis!

Beim Berliner „Tanz im August“ uraufgeführt und u.a. beim Bonner „Beethovenfest“ gezeigt, waren die beiden begeistert gefeierten Vorstellungen in Münsters „Theater im Pumpenhaus“ vorerst die letzten Aufführungen von „Bronze by Gold“. Thiersch arbeitet bereits, unterstützt vom Tanzfonds Erbe und als Koproduktion mit der Kölner Philharmonie, an der Performance von „City Dances“ der amerikanischen, heute 95-jährigen Tänzerin Anna Halprin.

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