Valeria Lampadova in „Aschenputtel“

Valeria Lampadova in „Aschenputtel“

Ein paar hübsche Einfälle für dankbare Wiesbadener

Tim Plegge entrümpelt „Cinderella“ beim Hessischen Staatsballett

Elf ausverkaufte Vorstellungen mit „Aschenputtel“ in Wiesbaden und sechs in Darmstadt. Grund genug zur Freude!

Wiesbaden, 12/07/2015

Unbestritten, „Cinderella“ ist Prokofjews schwierigster Abendfüller, mit diesen ewig langen symphonischen Orchesterpassagen, die er vor allem gegen Ende des Stücks ausweitet. Besonders lang sind „Die Sterne“, wenn das Stück eigentlich längst zu Ende ist und nur noch ewig lange Dekoration zu füllen bleibt. Beim Choreografen Tim Plegge wird deshalb gekürzt und mit choreografischem Aktionismus gefüllt. So fiel ihm bzw. dem Bühnenbildner ein, ein Scheinwerfer-Karree als riesigen Rahmen aus dem Schnürboden kommen zu lassen, weil ihm die Schritt-Puste ausging und das happy geendete Paar träumend am Boden liegt. Es gibt noch eine witzige Reminiszenz, die ich aber nicht verrate, die jedoch dem Publikum großes Vergnügen machte. Elf ausverkaufte Vorstellungen in Wiesbaden und sechs in Darmstadt, wofür das noch fast neue Hessische Staatsballett mit seinen 28 Tänzern ja auch zuständig ist. Grund genug zur Freude!

Plegge meinte offenbar, man müsse dieses Märchen entrümpeln, strich die Taubengeschichte und die oft als erotischen Hintergedanken verstandene Schuhanprobe auf der Folkloreweltreise und erst recht bei der wiedergefundenen Braut. Dafür gab er dem Vater von Aschenputtel großen Raum, sich zu entfalten und sich um sein herangewachsenes Kind zu kümmern, bis seine zweite Frau und die wenig garstigen Stiefschwestern ihn aus dem Haus treiben und Aschenputtel (Claudia Ortiz Arraiza) von einem etwa drei Meter hohen Berg von Geschirr hysterisch Teller um sich wirft. Wer will ihr das verübeln?

Die Idee den Nebenrollen mehr Chancen zu geben, ist großartig, aber leider gibt es keine Tänzer im Staatsballett, die reif genug sind, um das böse Wort alt zu vermeiden, für diese Charakter-Rollen. Sie bleiben Tänzer, die Plegge in erster Linie damit beschäftigt, mit der Choreografie zurecht zu kommen. Der Prinz, Taulant Shehu, wird schon im ersten Teil eingeführt. Er träumt davon, ein Raumfahrer sein zu dürfen, statt eine blöde Krone zu tragen, was den blaublütigen Eltern recht handgreiflich missfällt. Dafür bekommt er einen Kumpel, Tatsuki Takada, mit dem er sich zur großen Reisemusik, die mit das Beste an dieser Partitur zum Tanzen ist, amüsieren darf und die beiden haben sichtlich Spaß an dieser Szene.

Mehr Raum gibt der Choreograf auch der verstorbenen Mutter (Valeria Lampadova), was allerdings in vielen Versionen der Fall ist. Sie tritt in erster Linie mit Aschenbrödel in Kontakt, aber sie muss ihre Tochter in diesem Fall nicht mit einem Ballkleid ausstaffieren für den großen Auftritt, sondern es bleibt beim weißen „Umstandskleidchen“, das sie immer trägt. Und da es keinen Kamin gibt, wird sie auch nie schmuddelig. Und wenn ich mich nicht täusche, ist sie die einzige, die keine Spitzenschuhe braucht, während alle anderen Ballbesucherinnen sich mühen müssen, ausgerechnet diese riesigen Walzer, die ihresgleichen suchen, möglichst gleich abzuliefern, statt sich in großen Schwüngen zu bewegen, in artigen Arabesken und Pirouetten. So sehr ich den Versuch, den Spitzentanz nicht abzuschaffen, loben möchte – Plegge hat die falsche Szene dafür erwischt. Besser wäre es gewesen, die von ihm hinzuerfundenen Nachtwesen, schwarze Vögel, die nach dem Tod der Mutter das Kommando übernehmen, auf Spitze zu überhöhen.

In dieser Szene ist eine musikalische Komposition von Jörg Gollasch meisterhaft eingefügt, wie auch noch einmal zum Schluss, um die Stiefmutter und ihre Töchter zu bestrafen und diese aggressiv erscheinenden Vogelwesen auch musikalisch auf Trab zu bringen. Die schwarzen Vögel kümmern sich auch um Aschenbrödel, ersetzen ihr die Kutsche, den Schimmel und helfen auch noch sie zu kostümieren, indem sie ihr ein goldgelbes Fräckchen anhängen, was sie leider unvorteilhaft aussehen lässt. Mit den Kostümen konnte ich mich tatsächlich insgesamt nicht anfreunden, während das Bühnenbild von Sebastian Hannak mit Erfolg anstrebt, einen Bogen zu schlagen vom 19. Jahrhundert, Neu-Barock wie im Foyer des Staatstheaters und Wolken-Manierismus, über den Surrealismus zur Moderne wie der äußere Anbau des Theaters bei Sternenhimmel, der wie er ja auch in Wiesbaden vorkommen soll, aussehen könnte.

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