Hamburg Ballett: Anna Laudere und Carsten Jung in „Othello“

Hamburg Ballett: Anna Laudere und Carsten Jung in „Othello“

Gut genutzte Chancen

Rollendebuts beim Hamburg Ballett

Wohl dem Ballettdirektor, dessen Kompanie so gut bestückt ist, dass er hinsichtlich der Besetzungen aus dem Vollen schöpfen kann. John Neumeier ist in dieser glücklichen Situation – das Hamburg Ballett ist in Bestform.

Hamburg, 13/01/2015

Wohl dem Ballettdirektor, dessen Kompanie so gut bestückt ist, dass er hinsichtlich der Besetzungen aus dem Vollen schöpfen kann. John Neumeier ist in dieser glücklichen Situation – das Hamburg Ballett ist in Bestform und birgt reichlich Nachwuchstalente, wie jüngst bei mehreren Vorstellungen zu erkennen war. Allen voran Emilie Mazon, die als Marie in „Nussknacker“ debütierte. Die 19-Jährige verfügt über eine wunderbar unverfälschte, anmutige Bühnenpräsenz, gepaart mit einer Riesenportion Liebreiz und einer feinen Technik. Womit sie wie geschaffen ist für die Rolle der Marie, die ebenso kindlich sein sollte wie mutig, frech und elegant. Emilie Mazon kann all das mühelos abrufen – und glaubwürdig machen. Man darf gespannt sein, wie sie sich weiter entwickelt.

Ihr zur Seite der zu dieser Spielzeit von München nach Hamburg gewechselte Karen Azatyan, der mehr und mehr aus sich herauskommt und seine Talente entfaltet. Nicht nur in „Nussknacker“, wo er als Günther eine feine Noblesse zeigt, sondern auch in „Napoli“, wo er als Gennaro brillierte. Er verfügt über diesen schönen Körperbau und ebenso über die nötige Stilsicherheit, Kraft und Präsenz, die solche Rollen einem Tänzer abfordern, ohne allerdings je in die Falle der Arroganz oder Selbstverliebtheit zu tappen. Wie es aussieht, wenn das passiert, lässt sich bei gleicher Gelegenheit trefflich an Dario Franconi studieren, der den Meeresdämon Golfo in „Napoli“ so überzeichnet, dass diese Rolle, die gerade keine Übertreibungen duldet, sondern von innen heraus gestaltet werden muss, leider allzu oft ins Lächerliche abgleitet. Das hat Lloyd Riggins wohldurchdachte Choreografie nicht verdient.

Wie erholsam ist es da, einem Aleix Martinez zuzuschauen, der in „Napoli“ zwei prachtvolle Soli zelebriert, ebenso sprunggewaltig wie exakt. Er gehört zu den „phantastischen Sechs“, die als Fischer in „Napoli“ vor Tanz- und Lebensfreude schier zu explodieren scheinen: Marcelino Libao, Emanuel Amuchástegui, Silvano Ballone, Thomas Stuhrmann und Jacopo Belussi.
Gerade Belussi ist aber nicht nur ein exzellenter Tänzer, er zeigt bei seinem Debut als Cassio in „Othello“ auch eine innere Tiefe, die man bei diesem schönen Mann so abgründig nie vermutet hätte.
In diesem Zusammenhang muss auch Anna Laudere hervorgehoben werden, die sich stark zum Positiven entwickelt hat und ihrer Desdemona inzwischen ein sehr eigenes Profil zu verleihen vermag, ganz abgesehen von ihrer schönen Linie, die sie als Louise in „Nussknacker“ voll ausspielen kann.

Als eine der verlässlichsten Ersten Solistinnen der Kompanie glänzt Leslie Heylmann mehr und mehr, die souverän jede Anforderung zu meistern vermag – jüngst wieder zu bestaunen in „Napoli“, wo sie als Teresina besetzt ist, und – was für ein Kontrast! – als Emilia in „Othello“.

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