Vom Bösen, Besonderen und Schönen

Zum neuen dreiteiligen Abend „Strawinsky Heute“ beim Stuttgarter Ballett

Im Stuttgarter Ballettabend wird die Kraft der Musik dreimal höchst unterschiedlich ausgelotet. Zwei der Choreografie-Aufträge blieben sozusagen im Haus; sie gingen an die Stuttgarter Hauschoreografen Demis Volpi und Marco Goecke.

Stuttgart, 20/03/2015

Der Musik von Igor Strawinsky zum Ballett „Le Sacre du Printemps“ ist einer der spektakulärsten Theaterskandale des vorigen Jahrhunderts geschuldet. Auch wenn die „heidnischen Klänge“ heutzutage kein Publikum mehr von den Sitzen reißen – der Musik von Strawinsky wohnt eine besondere Kraft inne. Im neuen Stuttgarter Ballettabend wird diese Kraft dreimal höchst unterschiedlich ausgelotet. Zwei der Choreografie-Aufträge blieben sozusagen im Haus; sie gingen an die Stuttgarter Hauschoreografen Demis Volpi und Marco Goecke. Volpi, der sich bereits mit seinem „Krabat“-Stück als Tanz-Erzähler ersten Ranges positioniert hat, deutete die „Geschichte vom Soldaten“ überraschend neu und schlüssig. Er ließ das Stück über den Kriegsheimkehrer, der nicht nur seine Geige, sondern am Ende auch sein Leben an den Teufel verliert, als „Stück im Stück“ aufführen, das wunderbar witzig stilisiert aus großen Schrankkoffern und Überseekisten entwickelt wird. Dem Teufel gibt Alicia Amatriain eine androgyne, dämonisch überbewegliche Gestalt – eine Paraderolle für die Primaballerina. In Volpis Deutung der Geschichte verkörpert sie das Element des Bösen, das jedes Künstlertum bedroht. Originell und attraktiv in seiner Bewegungssprache: So empfahl sich er junge Choreograf einmal mehr für größere Aufgaben.

Die stellen sich Marco Goecke inzwischen zuhauf – er ist längst angekommen in der internationalen Choreografie-Szene. Für den Stuttgarter Blick auf Strawinsky steuerte er eine komplett überarbeitete Neufassung seiner für das Leipziger Ballett geschaffenen Choreografie zur Kurzoper „Le Chant du Rossignol“ bei. Mit dem Erzählen der Handlung hält sich Goecke freilich nicht auf. Es ist das Vogel-Thema, das ihn zu Bild- und Bewegungsfindungen herausfordert, und die tragen – natürlich – sein Markenzeichen. Das Flattern der Hände und Arme und die Rückenansichten gehören sowieso zu seinem typischen Bewegungsvokabular; in diesem Stück zwingt er das Starke und das Zerbrechliche zugleich einmal mehr in eindrucksvolle Bilder zusammen, die zum Neu-Hören der Musik einladen.

Der dritte und letzte im Choreografenbund für diesen Abend, Sidi Labi Cherkaoui (designierter Leiter des Königlichen Balletts Flandern) ist weltbekannt, seit er die Shaolin-Mönche tanzen ließ. In Stuttgart zeigte er sich von einer weit weniger extravaganten Seite. Für seinen Zugriff auf die Ballett-Suite „Der Feuervogel“ wählte er einen Mix aus narrativ und abstrakt, das heißt er behielt die Handlungsträger des Librettos bei, verweigerte aber eine detaillierte Geschichte. Dafür bewies er seine Kennerschaft in Sachen klassisches Ballett, die Damen tanzten auf der Spitze und die Herren wurden mit anspruchsvollen Hebungen gefordert. Das Bühnenbild (außen Vulkan, innen Spiegelsplitter) und die aufwändigen Kostüme (Skelett-Oberteile, riesige und leicht unhandliche „flammende“ Stoffbahnen für den Feuervogel) spielten sich dabei in den Vordergrund einer sonst eher konventionellen Arbeit.

Viel Beifall, natürlich auch für das Orchester des Staatstheaters einschließlich diverser Solisten unter der Leitung von James Tuggle: Strawinskys Musik bestand die Feuerprobe für „Heute“ mit Bravour.

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