Man muss die Arbeit lieben
Ein Interview mit Richard Wherlock
„Robin Hood“ heißt die neue Choreografie von Basels Ballettchef Richard Wherlock. Selbst Engländer, hat er sich damit einer der bekanntesten englischen Heldenfiguren zugewandt. Eine Reihe von verschiedensten Verfilmungen über Walt Disney bis hin zu Kevin Costner sind wohl den meisten Theaterbesuchern vertraut und umso größer ist dann die Überraschung, wenn sich der Vorhang hebt: vor den Fluten heruntergekommener roter Backsteinfassaden, im Wust aus Metallgerüsten und Autoreifen (Bühne: Bruce French) entspinnt sich eine klassische Gangstergeschichte. Das Londoner East End, Synonym für Armut und Gewalt, ist der Schauplatz zweier rivalisierender Banden, die Guten angeführt von Robin Hood, die Bösen von den Twin-Brüdern, die in den 1950er und 1960er Jahren als Reginald und Ronald Kray tatsächlich die organisierte Kriminalität im Londoner East End beherrschten. Es wird also in guter alter Gangstermanier gestohlen, bedroht, entführt, vergewaltigt... Das Ganze ist unterlegt mit einer Musikcollage, die über bekannte Popsongs und Soundtracks bis hin zu William Byrd reicht und die live vom Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Thomas Herzog gespielt wird. Wunderbar stellt sich das Orchester auf die unterschiedlichen Stücke ein und besticht durch coole Eleganz. Unterstützt werden die Musiker dabei von vier Sängern (Ye Eun Choi, Sofia Pavone, José Coca Loza, Giacomo Schiavo und Max Riebl), die mit auf der Bühne agieren.
Was das alles noch mit Robin Hood zu tun hat, erschließt sich nicht ganz. Ja, er ist der Anführer der Guten, aber sein Kampf gegen Ungerechtigkeit und Armut rückt vor einer bekannten Gangrivalität, wie sie zum Beispiel auch in West Side Story zu finden ist, in den Hintergrund. Überhaupt erinnern die langen Ensembletanzszenen stark an das Musical von Leonard Bernstein. Auch die betonte Liebesgeschichte zwischen Robin und Marian, hier die Tochter des Polizeichefs, passt nicht so ganz zu der alten Legende. Tänzerisch bietet diese jedoch einige der Höhepunkte des Abends. Während Jorge García Pérez als Robin Hood zwar charmant in seinem zweireihigen grauen Tweedanzug an Kappe und Brille zupft, bleibt er insgesamt doch charakterlos. Ganz im Gegensatz zu Marian, getanzt von Andrea Tortosa Vidal, die nach ihrer brutalen Entführung durch die Twin-Brüder ein ausdrucksstarkes, zwischen Leiden und mädchenhafter Unschuld schwankendes Solo tanzt. Die Weichheit ihrer Bewegungen nimmt noch zu, als sie wieder in den Armen ihres geliebten Robin Hood liegt und von diesem gehoben kraftvoll durch die Lüfte schwebt.
Die Ensembleszenen sind zum Teil etwas lang, aber unterhaltsam, da mit pfiffigen choreografischen Ideen versehen - wenn zum Beispiel ein Autoreifen zum Pas de trois-Partner wird oder ein Stahlgerüst die Bewegungen leitet. Die unterschiedlichsten Typen der Swinging Sixties (Kostüme: Catherine Voeffray) zeigen hier ihr tänzerisches Können und treten meist in etablierten Pärchenkonstellationen auf.
Und für alle, die Robin Hood im Bandendschungel des East Ends noch nicht gefunden haben, taucht er im gemeinsamen Finale mit grünem Robin-Hood-Hut und braunem Mantel auf. Damit sollten alle Unklarheiten beseitigt sein.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments