„Der Widerspenstigen Zähmung“ von John Cranko, Tanz: Sergei Polunin und Natalia Osipova

Auftritt der Stargäste

Die BallettFestwoche in München glänzt weiter

„Der Widerspenstigen Zähmung“ mit Natalia Osipova und Sergei Polunin sowie „Onegin“ mit Ivy Amista und Vladimir Shklyarov.

München, 21/04/2018

Nach der erfolgreichen Eröffnungspremiere der BallettFestwoche 2018 am Bayerischen Staatsballett waren am Montag für die Hauptrollen in John Crankos „Der Widerspenstigen Zähmung“ mit Natalia Osipova und Sergei Polunin zwei Top-Stars der Tanzwelt angekündigt. Aber vor das erwartungsfrohe Publikum trat zunächst Marketingchefin Martina Zimmermann mit Mikrofon. „Doch, sie werden beide tanzen!“, beruhigte sie das volle Haus nach einem Schreckensmoment. Nur sei Frau Osipova aufgehalten worden und mit dem nächsten Flug eben erst eingetroffen. Man solle ihr bitte gönnen, sich noch aufzuwärmen, dann werde die Vorstellung beginnen. Und wie sie 20 Minuten später begann!

Natalia Osipova war vom ersten Moment an voll da, schüttete mit solcher Energie über die drei Freier (Hortensio: Alexander Omelchenko / Lucentio: Erik Murzagaliyev / Gremio: Javier Amo) ihrer braven Schwester (Prisca Zeisel) Nachttöpfe aus, dass sie schon in der ersten Szene unwiderstehlich zum Lachen reizte. Das setzte sich fort, wenn sie mit angewinkelten Ellenbogen und Füßen wie Feuerhaken ihre gesamte Umgebung in Schrecken versetzte. Natürlich gab es auch kleine Probleme, als sie zum Beispiel, unvertraut mit den Münchner Requisiten, ihrem Gitarrenlehrer in spe sein Instrument zu vorsichtig auf den Kopf schlug. Sergei Polunin tanzte fulminant, war als Petrucchio ein spielfreudiger, unschuldig-naiver Draufgänger, wuchs an seiner Aufgabe der Zähmung zum klugen Charakter, doch einige choreografische Feinheiten fehlten oder klappten mangels Proben im Zusammenspiel nicht. Weil aber das Staatsballett mit Peter Jolesch als Baptista, Séverine Ferrolier und Giorgia Sacher als Freudenmädchen, Vladislav Dolgikh als Priester, den vorzüglichen Brautjungfern und dem gesamten Ensemble nicht nur einen stabilen, sondern sehr ansprechenden Hintergrund lieferte, und weil die an ein Naturwunder grenzende Dynamik von Osipova und Polunin alle Unebenheiten überstrahlte, war hier keine verlotterte Choreografie, sondern ein begeisterndes Feuerwerk zu erleben.

Am Mittwoch folgte „Onegin“ mit einem erneuten Gastspiel von Vladimir Shklyarov in der Titelrolle. Im ersten Bild tanzte Laurretta Summerscales vor ihren anmutigen Freundinnen von der Musik schön getragen. Jonah Cook fand als Lenski sofort gut in die Szene, zeigte durch die tänzerischen Anforderungen hindurch Lenskis Gefühle für Olga. Im Pas de deux beider entfaltete sich der Zauber der Einheit von technischer Makellosigkeit und Emotion, wie es besser wohl kaum geht. Ivy Amista spielte als Tatjana ein sehr junges, introvertiertes Mädchen, das staunt, was bei der Begegnung mit Onegin mit ihr passiert. Vladimir Shklyarovs schöne Linie, seine hohen, schnell gedrehten Sprünge und seine merkwürdige Geistesabwesenheit machten glaubhaft, wie sehr er sie beeindruckte. Als spielfreudige Dorfjugend trug das Corps mit einem kraftvollen Charaktertanz der Jungen und einem anmutig-munteren Reigen der Mädchen zu einem erfreulichen Auftakt bei. In Tatjanas Traum verzehrte sich Shklyarovs Onegin nicht in der gleichen Sehnsucht nach ihr, mit der sie ihn ersehnt, sondern blieb ein spröder Charakter. Doch er bemühte sich energisch um sie und ließ Ivy Amista den Traum Tatjanas gut entfalten. Dabei tanzte er vorzüglich und gewann auch als Darsteller intensive Präsenz.

Aber Entschuldigung, was spielte er dann auf Tatjanas Fest? Statt anzudeuten, wie Onegin darunter leidet, dass er glaubt, Tatjanas Liebe ablehnen und diese zerbrechliche Blüte verletzen zu müssen, so dass er sich in dieser Verlegenheit ins Kartenspiel und den Tanz flüchtet, dem Olga in ihrer Unbefangenheit fröhlich folgt, ließ er in starrer Arroganz Tatjana auflaufen und wandte sich, wie nach einem plötzlichen Entschluss zur Bosheit, gegen Lenski und dessen Liebe. Olga musste, um dazu zu passen, sich ebenso unvermittelt gegen ihren eben noch Geliebten stellen und mutierte mit irritierendem Charakterbruch ins Negative. Dieses falsche Spiel – vergleiche dazu auch den im Programmheft abgedruckten Brief Onegins an Tatjana, in dem der Held bestimmt nicht lügt – rüttelte an der Architektur des Stückes. So fehlte auch die Freundschaft Onegins zu Lenski als Grundlage für die Tragik, dass er, weil ihm alles außer Kontrolle geriet, seinen Freund tötet.

Glücklicherweise wirkten diese Einbußen nur punktuell, denn gleich im Anschluss überzeugte Lenskis wehmütiger Abschied vom Leben ebenso wie das Duell. Nach dem Zeitsprung von zehn Jahren boten die Ballgesellschaft im eleganten Sankt Petersburg und die Traumgestalten früherer Geliebter Onegins erneut glänzende Ensemble-Leistungen, und Emilio Pavan erwies sich in der Rolle des Hausherrn und Gatten Tatjanas als imponierend ruhender Pol. Zum finalen Pas de deux, der auch dank Vladimir Shklyarovs tänzerischer Energie spannend verlief, kann man Ivy Amista nur gratulieren: Sie zeigte in der Synthese von Musikalität, Tanz, Gefühl und Aktion, dass sie auf einem langen Weg zur großen Tragödin gewachsen ist.

 

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