„Dumbarton Oaks“, Tanz: Ida-Sofia Stempelmann, Rebecca Gollwitzer

Weniger wäre mehr gewesen

Das Bundesjugendballett präsentiert „Im Aufschwung X“

Die zehnte Ausgabe ist ein Medley von Stücken aus den sechs Jahren des Bestehens des Bundesjugendballetts.

Hamburg, 25/11/2018

„Im Aufschwung“ heißt das Motto von meist vier Vorstellungen, mit denen sich das Bundesjugendballett dem Hamburger Publikum präsentiert. Isabella Vertes-Schütter stellt dafür die Bühne des Ernst-Deutsch-Theaters zur Verfügung, nun schon zum zehnten Mal, und wiederum traten dort neben den Tänzer*innen auch Nachwuchs-Musiker auf, die mit wenigen Ausnahmen den musikalischen Teil des Abends bestritten. Alle zwei Jahre wechseln beim BJB die Tänzer*innen, und eines lässt sich ganz klar sagen: Die derzeitigen acht Frauen und Männer tanzen hervorragend, was auch für die sieben hinzu gebetenen „Alumni“ des BJB gilt, die inzwischen in andere Engagements (nicht wenige zum Hamburg Ballett) gegangen sind. Etwas weniger glücklich war die Zusammenstellung des diesjährigen Programms. Geboten wurde ein Medley mit 15 Ausschnitten aus dem Repertoire, und es war leider nicht immer das „Best of“. Eine Konzentration auf eine kleinere Auswahl, diese dafür aber vollständig präsentiert, wäre sinnvoller und aufschlussreicher gewesen. Gerade zum zehnten Jubiläum hätte man überdies eine neue Kreation erwartet.

Schon der Einstieg geriet – zumindest bei der ersten Vorstellung am 19. November – problematisch, weniger tänzerisch als musikalisch. Die „Französischen Chansons“ in der Choreografie von Masa Kolan wurden zwar untadelig getanzt, der Gesang von Celine und David Berton jedoch ließ erheblich zu wünschen übrig. Da gab es diverse falsche Töne, und es fehlte der ganzen Präsentation an Charme und Esprit. Sehr schade. Der Pas de Deux „Finding Light“, den Edwaard Liang 2013 zu Musik von Antonio Vivaldi choreografiert hatte, war dann eine Art Mini-Premiere, denn in Hamburg hatte das Bundesjugendballett dieses Stück bisher noch nicht getanzt. Es zeigt das Spannungsverhältnis eines jungen Paares – sie separiert sich immer wieder, um sich dann doch von ihm einfangen zu lassen. Natsuka Abe und Artem Prokopchuk tanzen das sensibel und präzise. Mit „Totilas – der Ritt“ von Paul Hess aus dem Jahr 2014 gelang ein echter Höhepunkt des Abends. Gabriel Brito tanzte diese makabre Hommage an das legendäre Dressurpferd mit Grandezza – das war großes Kino.

Danach dann „John’s Dream“ (2016) zu Musik von Beethoven und Leonard Cohen und die 2012 entstandene „V. Cavatina“ aus „Streichquartett op. 130 (work in progress)“ von Beethoven – zwei Choreografien von John Neumeier für das BJB. Zwei verrätselte, eher traurig-getragene Werke, die doch eher etwas für ältere, reife Tänzer*innen sind als für diese junge Kompanie, auch wenn sie von allen Beteiligten sehr gut getanzt wurden. Ricardo Urbinas „Alan Watts – What do you desire?“ – sehr fein getanzt von den Alumni Sara Ezzell, Nicolas Gläsmann und Ricardo Urbina selbst – bildete dann die Überleitung zu einer Eigenkreation des BJB von 2017: „Dumbarton Oaks“ zu Musik von Igor Strawinsky, die anlässlich der Nijinsky-Gala im Juni 2017 aus der Taufe gehoben wurde. Eine fantasievolle, abwechslungsreiche Collage mit einer gehörigen Portion Witz und Humor.

Nach der Pause wurde es dann wieder duster: Ein Ausschnitt aus Sasha Rivas „Muted“, ein fast schon beängstigender Machtkampf, der im Verstummen mündet – hervorragend getanzt von allen acht BJBlern. Eher schwermütig auch die Sequenzen aus „In the Blue Garden“ von John Neumeier, das im Rahmen von „The Loss of Innocence“ 2014 auf Kampnagel gezeigt wurde und auf der kleinen Bühne des Ernst-Deutsch-Theaters nun gänzlich seine Magie einbüßt; da können sich Madeleine Skippen, Gabriel Brito und Emiliano Torres noch so viel Mühe geben.

Ähnliches gilt für den Ausschnitt aus „Dressed up in Tissue Paper“, das Natalia Horecna im Januar 2012 eigens zur Premiere der „Im Aufschwung“-Serie für das BJB choreografierte. So aus dem Zusammenhang gerissen, versteht man nicht, worum es geht, erschließt sich die Choreografie nicht so, wie sie müsste, auch wenn Marcelo Ferreira und Artem Prokopchuk die schwierigen Schrittfolgen tadellos präsentieren. Ebenso dürftig der Ausschnitt aus „For All The Lost Ones“ nach der Choreografie von Greg Blackmon, ein Projekt des BJB mit 18 geflüchteten Grundschüler*innen zum 20-jährigen Jubiläum von Steffi Grafs Stiftung „Children for Tomorrow“, erstmals im Sommer 2018 im Haus im Park in Hamburg-Bergedorf gezeigt. In dieser Minimalbesetzung mit nur zwei Kindern konnte der Funke allerdings nicht wirklich überspringen – schade.

Nicht fehlen durfte in diesem Medley natürlich ein Ausschnitt aus einer der erfolgreichsten Produktionen des BJB: „Rap auf Ballett“, ein Stück, das in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg entstanden ist und auch bei den Auftritten des BJB in Haftanstalten gezeigt wird. Hier waren es die beiden Rapper Jones Diggi und Chippsy, die allerdings ebenso wie die Tänzer*innen kaum richtig zum Zug kamen. Als Rausschmeißer dann noch ein nicht wirklich gelungener „Celebration“-Reigen aller Beteiligten, die sich nochmal mit Zitaten aus den von ihnen getanzten Stücken präsentierten. So richtig gefeiert wurde da nicht. Das konnte das BJB schon mal besser.

Das Gesamtspektrum des Gezeigten entsprach so gar nicht dem, was man von einer so jungen Kompanie erwartet. Schade auch, dass man aus Anlass dieses Abends nicht erfuhr, was aus John Neumeiers Gesprächen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, geworden ist. Bei der Ballett-Werkstatt im Sommer des Jahres hatte Neumeier das Publikum noch ausdrücklich darum gebeten, die Daumen zu drücken, dass diese Mission von Erfolg gekrönt sei. Schließlich ging es um die weitere finanzielle Förderung des Bundes und damit auch um die Zukunft des BJB. Zumindest derzeit bleibt das ebenso wie die künstlerische Vision für die nächsten Jahre der Kompanie im Bühnennebel.

 

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