„Vielseitig und außergewöhnlich“
Tanzdirektor Guido Markowitz erhält Kulturpreis der Stadt Villach
Von Susanne Roth
Tanz im Museum, Ballett im Park oder Performances in der Stadt – es ist Mode geworden, mit Publikum und Passanten im öffentlichen Raum auf Tuchfühlung zu gehen. Choreografie überschreitet Grenzen und geht aus der funktional definierten Örtlichkeit eines Theaters mit seinen gängigen Zeitvorgaben heraus und verlässt damit auch das vertraute Terrain oft praktizierter Narrative.
Neue Themen, Formen und Erfahrungen stellen sich ein, gerade weil die anders besetzen Räume sowohl materiell als auch sozial bereits definierte Auren, Haptiken und Praktiken mit sich bringen. Am wichtigsten aber ist die „Mobilmachung“ des Publikums. Es wird mitchoreografiert. Jedes Schauen, Stehenbleiben, Verharren oder sich Mit- oder Wegbewegen durch den Raum vollendet so erst jede Aufführung von Tanz, die sich ihre Bühne draußen sucht.
Auch für den gebürtigen Österreicher und ehemaligen Artist in Residence am Tanzhaus NRW Guido Markowitz war, als er vor vier Jahren als neuer Ballettchef am Stadttheater Pforzheim seinen Fuß in das von Thomas Münstermann und Uwe Dürigen geführte Haus setzte, klar: Das Ensemble tanzt nicht nur bis zum Rand der Bühne im Haus, sondern auch an ungewöhnlichen Orten. Zwischen BürgerInnen. Mit BürgerInnen. In der Kirche, im Schwimmbad, im Museum und nun auch im Gasometer innerhalb des weltweit größten Panoramabildes Great Barrier Reef.
„Guido Markowitz hat ziemlich viele Ideen und er setzt sie auch rasch um“, so Assistent Damian Gmür, Trainingsleiter am Ballett Theater Pforzheim und Co-Choreograf. Und Markowitz erzählt: „Thomas Münstermann und ich waren uns immer einig, dass es nichts bringt, im geschlossenen Raum des Theaters zu bleiben. Dass man die Stadt bespielen, unter das Publikum gehen muss. Und so war die erste Ballett-Aufführung in Pforzheim gleich auswärts, in der Schlosskirche“, erzählt Markowitz, der dort wiederum offene Türen einrannte. Im November 2015 tanzte seine Truppe über Kirchenbänke, im Altarraum, im Chorraum dahinter. Das Stück verarbeitete, was es im Titel mit sich trug: „Heimatwelten“ – zerbrochene, verlorene, ersehnte oder neu erfühlte. Und die Gäste? Saßen auf den Kirchenbänken, standen, gingen umher – waren sozusagen integriert in die Aufführung. Alles so gewollt. Und sehr emotional. „Ich habe Gäste gesehen, die geweint haben“, so Damian Gmür.
Der Nebeneffekt ist natürlich auch Werbung, aber das steht nicht im Vordergrund. Es war vielmehr von Anfang an das Konzept. Ein Jahr später folgte dann auch der Sprung ins nasse Element. Im Emma-Jaeger-Schwimmbad-Bad erlebten die Zuschauer ein Ballett im und außerhalb des Beckens. „Schwimm, wenn du kannst“ hieß es und es begann tatsächlich in den Umkleidekabinen. „Wir haben auch die Wassersportler mit einbezogen“, erzählen Guido Markowitz und Damian Gmür. „Hat ja, wie Tanz auch, mit Bewegung zu tun“. Die Aufgabe war dann, die Fantasie der durchtrainierten WassersportlerInnen zu beflügeln; die BalletttänzerInnen wiederum konnten bewundern, wie es aussieht, wenn ein Schwimmer eine ganze Bahn ohne Luft zu holen taucht. Die WassersportlerInnen merkten, wie anspruchsvoll es ist, eine Minute Choreografie auswendig zu lernen und auszuüben. „Natürlich muss man viel mehr vorbereiten. Auch wenn improvisiert werden darf: Die Abläufe muss man auch wegen der Verletzungsgefahr genau planen“, erläutert Guido Markowitz die umfassenden Vorbereitungen.
Es ist auch eine Art Spieltrieb, den Markowitz und Gmür bei ihrem Ensemble wecken. Neues Terrain zu erkunden, stellt Guido Markowitz und Damian Gmür wiederum die Aufgabe, die Choreografie mit dem Raum zu verbinden. Wie etwa im Schmuckmuseum Pforzheim, im berühmten Reuchlinhaus. Seine Architektur erinnert an die Baukunst Ludwig Mies van der Rohes und lud mit seiner Treppenrotunde, dem lichtdurchfluteten Eingangsbereich und den dunklen, mit Kuben bestückten Ausstellungsräumen nahezu ein, mit Choreografie und Tanz auf verschiedenen Ebenen nahezu herausgefordert zu werden. Sensibel verarbeiteten Markowitz und Gmür dabei das zentrale Thema: Schönheit, Narzissmus und die menschliche Begegnung mit dem Unperfekten. Der Ausstellungszylinder im Gasometer bietet nun jede Menge Platz für raumgreifende Bewegungen. „Aber mit dieser Freiheit muss man ja auch umgehen können“, so Gmür. Letztlich trete dort ja das Panoramabild in Konkurrenz mit dem Ensemble. Aber auch da wird das Publikum in den Ballettabend integriert werden und die physische Präsenz der TänzerInnen und deren Energie spüren. „Das wird noch zunehmen“, verspricht Guido Markowitz, der schon den nächsten betanzbaren Ort ausgespäht hat: das Bürgercentrum mit seinem Lichthof. „Ganz toll, mit den Galerien“, so der Ballettchef.
Markowitz und Gmür sind ein Duo, das sich perfekt ergänzt, und verfolgen ein Konzept, dessen Saat aufgeht. Das Ballettensemble wird auch mal für Kurzauftritte angefragt; neue Spielorte werden vorgeschlagen. Und die unterschiedlichen Menschen, die Ballett in der Kirche, im Schwimmbad, im Museum, im Gasometer anschauen, kommen dann tatsächlich auch mal ins Theater. Dort freilich sitzen sie dann im Dunkeln auf ihren Stühlen. An den Spiel- beziehungsweise Tanzorten außerhalb haben sie eher die Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln. Die TänzerInnen wiederum müssen auf der Bühne des Theaters ganz anders agieren, um ihre Bewegungen und Emotionen weit über den Rand der Bühne hinaus ins Publikum zu transportieren. „Erst seine Vielseitigkeit macht Tanz doch zu einer lebendigen Form, oder etwa nicht?“, entgegnet Markowitz lächelnd.
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