„(In)Security“ von Stephanie Felber 

„(In)Security“ von Stephanie Felber 

Sicherheit in der Unsicherheit

„(In)Security“ feiert im schwere reiter München Premiere

Stephanie Felbers neue Arbeit ist ein Hybrid zwischen Performance und Installation. In einem interaktiven Raum erforschen PerformerIn und ZuschauerIn das Gefühl von Sicherheit und Unsicherheit.

München, 14/10/2019

Die ZuschauerInnen betreten die Bühne. Überall verteilt stehen weiße Sockel und Podeste, auf einigen von ihnen futuristisch aussehende Instrumente, auf anderen Bildschirme, die das Geschehen auf und vor der Bühne live übertragen. In einer Ecke eine Art Blechhütte, bewacht von einer schwarz gekleideten Frau. Auf einem weiteren Bildschirm wird der Puls einer Zuschauerin und die Atemfrequenz eines Zuschauers – beide zuvor mit den entsprechenden Gerätschaften ausgestattet – angezeigt.

Das Publikum darf sich durch diese Installationsanordnung frei bewegen und beginnt, den Bühnenraum zu erkunden. Die fünf PerformerInnen – alle in einer Art schwarzer Thermounterwäsche mit weißen Nähten gekleidet – verstecken sich anfangs scheu und den Blicken der ZuschauerInnen ausweichend. Ein Ort des Unbehagens entsteht, nicht zuletzt wegen der mäßigen Beleuchtung und Einspielung repetitiver Geräuschmusik.

Langsam beginnen die PerformerInnen, sich durch den Raum zu bewegen. Mal scheinen sie wegzurennen, mal finden sie zärtlich zueinander. Sie suchen die Nähe zu einzelnen ZuschauerInnen, erste Interaktionen zwischen Wahrnehmenden und Handelnden entstehen. Die PerformerInnen liefern Anstöße für das Publikum, zum Beispiel die Instrumente auszuprobieren oder einem/r PerformerIn in die Hütte zu folgen.

Obwohl das Unbehagen der interaktiven Situation mit jeder Minute der circa einstündigen Performance immer weiter verschwindet, bleibt die Vertrauenswürdigkeit der AkteurInnen bis zum Schluss fragwürdig. Zu verfremdet sind ihre Bewegungen, ihr unvorhersehbares Agieren, die Geräusche, die sie machen, und was sie sprechen oder singen.

Stephanie Felber, die sich in ihren Arbeiten zwischen bildender und darstellender Kunst bewegt und dort häufig die Rollen des Publikums und der PerformerInnen verbindet, gelingt es in „(In)Security“ eindrucksvoll und mit verschiedenen Mitteln, seien sie gestisch, mimisch, bewegungstechnisch oder auch äußere Mittel wie Musik und Licht, ein breites Assoziationsspektrum hinsichtlich Sicherheit bzw. Unsicherheit abzudecken.

Auch die ZuschauerInnen erleben diese Bandbreite im Verlauf der Performance. Ihre Körper werden in die Raumkonstellationen mit einbezogen und durchleben scheinbar bedrohliche und verwirrende, aber auch tröstende und zärtliche Interaktionen. Es ist erstaunlich, wie reibungslos die Versuchsanordnung funktioniert, ohne dass dem Publikum im Vorfeld jegliche Anleitungen gegeben wurden. Der Übergang des Publikums zu Agierenden funktioniert ebenso fließend wie der Übergang von Installation zu Performance.

Allerdings bleibt das Ausmaß des im Programmheft versprochenen Einflusses der ZuschauerInnen auf das Bühnengeschehen bis zuletzt unklar. Ob mit jeder Vorstellung nur die kleinen Interaktionen variieren oder die Performance letztlich mit jedem Publikum eine ganz andere Entwicklung bekommt, ist mit einem einzigen Besuch schlichtweg nicht auszumachen. Auch führen die Menge an Assoziationen zum Thema Sicherheit am Ende auf keine höhere Ebene. Das Abschalten der Technik durch die AkteurInnen und das an ein Trauerlied erinnernde Schlusslied wirft stattdessen viele Fragen auf. Entgegen dem Rest der Performance wird hier die Grenze zwischen PerformerIn und ZuschauerIn plötzlich wieder klar gezogen und stellt die zuvor etablierte Norm, die ein gewisses Maß an Sicherheit generiert hat, wieder in Frage.

Vielleicht ist aber auch das gerade Stephanie Felbers Ziel: dass die ZuschauerInnen nicht verstehen, sondern erleben, ausprobieren und gedanklich angeregt werden. Und vielleicht ist genau das die Stärke des Abends: die Sicherheit, mit einer großen Unsicherheit nach Hause zu gehen.
 

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