Abschluss einer Ära
Mit den Hamburger Ballett-Tagen endet die Intendanz John Neumeiers
Als ich las, dass Kevin Haigen den Theaterpreis Rolf Mares in Hamburg erhält, dachte ich, er hätte längst einen Preis verdient. Heute wird er 65, und ich wünsche ihm alles Gute nicht nur für diesen Tag. Er war als Newcomer Tänzer in Stuttgart, zur Zeit des Übergangs von John Cranko zu Glen Tetley. Ich lernte ihn kennen, als er mit Bernd Schindowski, Jungchoreograf am Ulmer Theater, ein Stück erarbeite. Er kam zu mir, um zu erzählen, dass er mit dem Choreografen nicht recht auskam. Wie die Geschichte endete, habe ich vergessen.
Nach dieser Begegnung fuhr ich nach Wien, wo der Ballettdirektor Gerhard Brunner John Neumeier beauftragt hatte, die „Josephslegende“ nach Musik von Richard Strauss für die Staatsoper zu choreografieren; in einem Bühnenbild von Ernst Fuchs mit Kevin in der Hauptrolle und Judith Jamison als Potiphars Weib. Dieser Abend war ein Riesenerfolg und für Kevin der Durchbruch zum Startänzer. John hat die Choreografie auch in Hamburg mit einem schlichteren Bühnenbild gezeigt, was ihr ohne gedrehte Barocksäulen gut tat, und diese Inszenierung hielt sich jahrelang in den verschiedensten Staatsopern.
Natürlich habe ich Kevin des Öfteren in Hauptrollen gesehen und er konnte wie Egon Madsen komisch sein, die ZuschauerInnen aber auch in der letzten Reihe zu Tränen rühren. Zum Beispiel war seine Interpretation der „Matthäus Passion“, zunächst in der Kirche, dann im Opernhaus, im schwarzen Aushang vielleicht noch eindrucksvoller als der Puck im „Sommernachtstraum“.
Nach ein paar Jahren hörte ich, dass Kevin gewechselt hatte: ans NDT zu Jirí Kylián, und ich glaube, es war sein erster Auftritt dort, als Jirí die Oper „L‘enfant et les Sortileges“ vertanzte, was eine sehr gute Idee war, denn tanzende Sessel sind schon besonders unterhaltend. Leider fiel ihm für Kevin nichts als Asche im Kamin ein, im grauen Ganztrikot vom Scheitel bis zur Fußsohle. Sehr lange hat dieses Engagement nicht gedauert, und er hatte wohl auch etwas Heimweh zur American Ballet School, wo man ihn technisch bestens gerüstet hatte, aber das Ballet Theatre war wohl nicht das richtig für ihn gewesen.
Inzwischen war ich in München beim Staatstheater am Gärtnerplatz damit beschäftigt „Peer Gynt“ mit einer Komposition von Walter Haupt vorzubereiten und fragte Kevin, ob das nicht die Rolle für ihn sein würde. Wir wurden uns leicht einig! Allerdings kam ein Angebot aus Monte Carlo dazwischen, wo er als Ballettmeister und Tänzer fest engagiert werden konnte. Natürlich konnte ich ihm das nicht verderben, aber ich musste spät eine andere Lösung finden, was gelang, denn wir konnten das Stück bis zu meinem Abgang im Repertoire halten.
Kevin war noch bei Béjart in Lausanne und in London beim National Ballet, bis er 1991 zum Hamburg Ballett zurück kam und sich zu Neumeiers rechter Hand hocharbeitete, Ballettlehrer an der Schule wurde und schließlich mit viel Erfolg das Bundesjugendballett mitbegründete und nun auch choreografieren konnte, eine Begabung, die wohl immer in ihm geschlummert hatte.
Ein großer Künstler wird heute, am 6. November, 65 Jahre alt, und ich glaube, er wird uns noch viel Schönes anbieten. Das Publikum und Kevin haben es verdient!
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