Leitungswechsel
Katharina Christl übernimmt Leitung der Palucca Hochschule Dresden
von Regina Christen
Die Schweiz galt lange Zeit als ein Holzboden für den Tanz. Spätestens seit der Gründung der Abteilung Tanz an der ZHdK vor 10 Jahren ist die Grundlage für eine konkurrenzfähige Ausbildung im eigenen Land gegeben. So divers wie die Tänzer*innen des derzeitigen ersten und zweiten Studienjahres plus einige Zuzüger des dritten Jahres sind, so divers sind die Tanzstile der sechs gezeigten Kurzstücke. Zu Beginn des reichhaltigen Programms stellen sich die 35 Studierenden in ihrer jeweiligen Landessprache selbst vor, geben Einblicke in die Stücke und zu den choreografischen Anforderungen.
In „Moment of Sensation“ von Béatrice Goetz formieren sich die Tänzer*innen rastlos von kleineren zu größeren Gruppen, erkunden ihr Ich in der Begegnung mit den anderen. In bunten pastellfarbenen Kostümen wirken sie homogen, erhalten aber auch Raum für persönliche Entfaltung und eigenes Tanzmaterial. „Penthesilea“ von Dunja Jocic ist ein düsteres Stück mit einer starken Bewegungssprache, inspiriert von Kleists Trauerspiel. Die in enge schwarze Latexbekleidung gehüllten Amazonen folgen der anspruchsvollen Choreografie scheinbar mühelos und beeindrucken gemeinsam im Kampf der Geschlechter sowie mit einer hervorragenden solistischen Leistung. „Hesitation“ von Antonio Ruz zeigt eine poetische Interpretation von Verunsicherung und Ungewissheit. In diesem Stück kommen die Wandelbarkeit und die Präzision der Tanzenden besonders zur Geltung.
Privilegierte Ausbildung
Pro Studiengang werden nur fünfzehn Anwärter*innen für den Bachelor Contemporary Dance aufgenommen. Wer es in die Auswahl schafft, genießt viele Privilegien. Ein professionelles Team von Lehrer*innen, Assistent*innen, Choreograf*innen, Techniker*innen und Kostümbildner*innen begleitet und unterstützt verantwortungsvoll die Studierenden. Während sie mit den verschiedensten Tanztechniken vertraut gemacht werden und sich mit zeitgenössischen choreografischen Konzepten auseinandersetzen, erweitern sie auch ihre Fähigkeiten innerhalb der eigenen tänzerischen Ausrichtung. Die künstlerische Recherche spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Öffentliche Aufführungen mit den Studierenden finden zweimal jährlich im Theater der Künste in Zürich sowie im Kurtheater Baden statt, einmal eine Produktion im Dezember und eine Anfang Juli; jeweils sind es zehn Aufführungen mit dem gleichen Programm und mit zum Teil wechselnder Besetzung.
„We all love you“
„Flowing“ von Katarzyna Gdaniec & Marco Cantalupo der Compagnie Linga, das vierte Stück des Abends, handelt von den sich in Untiefen bewegenden Sardinen und von Schwärmen von Staren. Es ist ein sehr anspruchsvolles und streng choreographiertes Stück, das in seiner Dystopie und Abstraktheit von den Tanzenden Genauigkeit und Synchronität fordert. „Flowing“ gewann 2019 den Swiss Dance Award und wurde für den BA Contemporary Dance adaptiert. Die 15 Tänzer*innen in „Know Hope“ von Dor Mamalia präsentieren sich zu Beginn wie auf einem Klassenfoto, bewegen sie dann in einzelnen Auftritten, jede*r für sich, bevor sie sich wieder zu einem Ganzen zusammenfügen. Ein Werk von Marco Goecke macht den Abschluss: „Smokey Sarah“ ist eine Hommage an die Sängerin Sarah Vaughan. Es sei ihm eine große Freude gewesen, mit ihrer Stimme ein Stück zu machen, so Goecke aus Anlass der Premiere 2014 in Den Haag. Hier bietet sich wiederum eine Gelegenheit für die Tanzenden, sich in musikalischer Vielfalt zu üben und sich in Solos, Duetten und großen Gruppen zu bewähren. Am Ende vereint die Wiedereinstudierung alle 35 Tänzer*innen auf der Bühne zum Gesangstext „We all love you“.
Weitere Aufführungen am Samstag, 16. Dezember um 15 Uhr (mit Livestream) und 20 Uhr im Theater der Künste in Zürich sowie am 16. und 17. Januar 2024 im Kurtheater Baden.
Zukunft in der professionellen Tanzszene
In der Disziplin Tanz an der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste) sind drei Angebote angesiedelt: Die Tanzakademie Zürich (taZ) bildet klassische Tänzer*innen von 15 bis 18 Jahren in einer vierjährigen Berufslehre aus, mit einer Grundstufe für Jugendliche ab 11/12 Jahren. Der BA Contemporary Dance ist die erste Hochschulausbildung der Schweiz mit Schwerpunkt auf zeitgenössischem Tanz und innovativem Health-Programm. Die Studienleitung liegt bei Samuel Wuersten als künstlerischer Leiter und Gianni Malfer als operativer Leiter. Die Studierenden sind rund 20 Jahre alt und trainieren zeitgenössischen Tanz mit Ballett als Grundlage, aber ohne Spitzentanz. Zudem werden auf Masterstufe ein Lehrgang in Choreography sowie in Teaching and Coaching Dance Professionals angeboten. Der BA ist eine Interpreten-Ausbildung, der MA Choreographie eine Autoren- und der MA Coaching eine Vermittlungsausbildung. Die Verbindung von Studium und Praxis soll die Absolvent*innen auf eine Zukunft in der professionellen Tanzszene hinführen.
Frischer Wind
Die Tanzausbildung aller Studiengänge bekommt nächstes Jahr einen neuen Leiter: Jason Beechey wird „Head of Dance“ und somit Leiter aller Tanzstudiengänge. Das soll einerseits Ruhe und anderseits frischen Wind in die Schweizer Tanzausbildung bringen. Der kanadische Tänzer und Tanzpädagoge ist seit achtzehn Jahren Rektor der Palucca-Hochschule für Tanz in Dresden, eine Vorzeigeschule für eine zeitgemäße Ausbildung in klassischem und zeitgenössischem Tanz. In Zürich war er während der letzten eineinhalb Jahre als externer Berater in der Interimsleitung der Tanz-Akademie Zürich (taZ) tätig, nachdem diese durch einen aufrüttelnden Skandal in die Krise geraten war: Im Sommer 2022 klagten ehemalige Schüler*innen über Demütigungen, Erniedrigungen und nicht behandelte Essstörungen und fragwürdige Lehrmethoden. Offiziell tritt Beechy seine Stelle am 1. August 2024 an mit dem Ziel, eine zusammenhängende Ausbildung zu gestalten, in der sich die Studierenden nicht mehr für klassischen oder für zeitgenössischen Tanz zu entscheiden haben. Zudem sollen Koordination, Synergien und Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Tanzausbildungen gewährleistet werden.
Zurzeit betrifft die Nominierung von Jason Beechey zum „Head of Dance“ den BA und MA nicht direkt. Bereits jetzt suchen Wuersten und Malfer nach nützlichen Synergien. In Zukunft gilt es, den Graben zwischen taZ und den BA/MA Dance in der ZHdK zu schliessen und die aussergewöhnlichen Möglichkeiten gemeinsam zu nutzen.
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