„The distortion of reality“ von William Thomas, Tanz: William Thomas und Chloé Meier

So muss das

„(A)void Reality“ – Die Absolvent*innen der Palucca Hochschule für Tanz Dresden präsentieren ihre Bachelor-Arbeiten

Zu einer eigenen Sprache zu finden kann ganz einfach sein. Vorausgesetzt, man bleibt ganz bei sich. Und das haben die Bachelor-Arbeiten dieses Mal durch die Bank weg geschafft.

Dresden, 11/06/2023

Wenn man sich unter ganzen zehn Arbeiten orientieren soll, darf man ganz ohne schlechtes Gewissen den einen oder anderen Favoriten haben. Es geht ja nicht darum, jemanden „auf die Plätze zu verweisen“. Schon gar nicht dann, wenn es sich um die Abschlussarbeiten junger Studierender dreht. Ohnehin wurde bereits bekanntgegeben, dass alle zehn Absolvent*innen ein Engagement erhalten haben und jetzt also endlich richtig loslegen können. Damit sind ihre Arbeiten zum Zuckerguss ihres Studiums geworden.

Wie schon im vergangenen Jahr haben die Studierenden das Programmheft wieder selbst gestaltet, dunkel, mit schwarzem Hintergrund, ganz dem Titel „(A)void Reality“ Rechnung tragend. Angesichts dieser Reduktion wirken die Promo-Fotos der einzelnen Arbeiten desto stärker. Diesen „void“ oder „blank space“ aus dem Titel füllen aber natürlich in erster Linie die Arbeiten selbst, die meisten als Duo, nur zwei Solos sind dabei. Aber die haben es genauso in sich, wie beispielsweise „In His Footsteps“ von Lucas Van Rensburg, der seine Arbeit, so lässt sich mutmaßen, seinem Vater gewidmet hat. Die selbst arrangierte Musik verwies ganz offensichtlich auf sehr persönliche Assoziationen, und die kraftvolle, selbstsichere Arbeit rührte vor allem einen Mann im Publikum ganz besonders zu Tränen.

Gerade dieses Persönliche in den Arbeiten ließe sich als roten Faden erkennen. Bereits mit dem Auftakt des ganz klassisch auf Spitze getanzten „Place in motion“ von Antonia Rosenkranz, die sich hier mit Patrick Short zusammengetan hat, spricht von einer augenfälligen Verbindung beziehungsweise Verbundenheit der beiden. In einer solchen Intensität macht Rohan Hazelton in seiner Arbeit „No time for caution“ weiter, einer intensiven Arbeit, in der er gemeinsam mit Catherine Rinehart Beer Zeit in Bewegung sichtbar macht.

Ein paar Vogueing-Einflüsse greift Alessia Demian auf, die gemeinsam mit Korbinian Friedl der Frage „Was it real?“ nachgeht, eine Frage, die so auch für das bemerkenswert starke Duo „AnnA“ von Jack Rexhausen (mit Luccio Navarro) gestellt werden könnte. Beide agieren in einer merkwürdig aggressiv aufgeladenen Situation, die einen Streit assoziieren lässt.  

Genauso mit Schmackes geht William Thomas sein „The distortion of reality“ an. Er lässt Chloé Meier sichtbar nervös zucken, während er reglos in einiger Entfernung von ihr auf dem Boden sitzt. Diese Konstellation ist der Beginn der wohl aufregendsten dieser Reihe allesamt gelungener Arbeiten. Verstörend wispernde Sounds entfalten eine merkwürdig „coole“ Fremdartigkeit, eine kunstvolle Entfremdung, die in ihrer Intensität und Ausprägung im Bewegungsvokabular den wohl kreativsten Zugriff aufzeigt. Thomas und Meier breiten eine emotionale Rauheit aus, die Unstabiles wie Angst und Unsicherheiten zulässt, währen zwischen beiden eine bemerkenswerte „Chemie“ wahrnehmbar ist. Und irgendwann haucht die Stimme von RY X aus den Boxen: „Could your love come back if I told you so? / Could we make it back? / Could we make it back in our souls?“ Dem gibt es wohl nichts hinzuzufügen.

Doch. Mehr geht immer. Nämlich wenigstens noch den lässigen „Rausschmeißer“ von Phoebe Anderssen, die sich gemeinsam mit Zoe Monohan im „The Ladies Room“ nicht nur optisch zurechtmacht, sondern ganz offenbar ihre Partnerin in crime empowert. In der Folge lassen es die beiden auf dem Dancefloor mit Duke Ellingtons Swing-Klassiker „It don’t mean a thing“ ordentlich krachen. So muss das.

 

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