BLICKWECHSEL „Le Grand Sot“ mit Ensemble des Bayerischen Staatsballetts

BLICKWECHSEL „Le Grand Sot“ mit Ensemble des Bayerischen Staatsballetts 

„Blickwechsel“ – Das Oktoberfest der Künste im Münchner Nationaltheater

Mit einem Feuerwerk der Sinne eröffnet die Bayerische Staatsoper die neue Spielzeit

Der Vorhang zur neuen Spielzeit ist weit geöffnet: Allein der immense logistische Aufwand und die künstlerische Vielfalt, die das UniCredit-Septemberfest, ein Volksfest der Künste – wie dieses am vergangenen Wochenende möglich macht –, verdient höchste Anerkennung. Ein vielfältiges Programm hat Jung und Junggebliebene bei strahlendem Wetter in die Oper gelockt – zur Wies’n-Zeit wohlgemerkt.

München, 26/09/2023

Welche Vielfalt und Vielseitigkeit das Bayerische Staatsballett an den Tag legt und Sommerfrische zu Beginn des goldenen Herbstes versprüht, ist beachtlich und löst beim Publikum im ausverkauften Opernhaus Begeisterungsstürme aus. „Blickwechsel“ mit drei Choreografien von Marius Petipa, Jacques Garnier und Marion Motin hat es den Zuschauer*innen angetan. Das Spektrum reichte von glanzvoller und virtuoser Klassik über folkloristische Tänze bis hin zum Hip-Hop.

Mit dem Grand Pas Classique aus „Paquita“, der in der Choreografie im Rahmen von Hochzeitsfeierlichkeiten stattfindet, taucht das Publikum in die Welt der Klassik ein, das mit den Tänzer*innen mitfiebert: Virtuose Sprünge, Drehungen und Hebungen halten das Publikum in Atem. Zu bewundern ist nicht nur die Präzision und die Harmonie, die zwischen Ballett und Musik besteht. Auch die Bühnenausstattung des festlichen Tanzsaales mit tiefblauen Samtvorhängen unterstreicht die noble Kulisse, die genau dieser Szene aus „Paquita“ entspricht.

Die Farbe bleibt, der Charakter und der Szenenort ändern sich: Wir befinden uns an der französischen Atlantikküste am Strand vor blauem Himmel. Zwei Akkordeons, 3 Männer beherrschen die Szene nun, die Entspanntheit und Lebensfreude sowie Ferienatmosphäre vermittelt – ohne zu langweilen. Allein ein hohes Maß an folkloristischer Tanztechnik und die Kombination mit neoklassischen wie zeitgenössischen Elementen sowie Charme und Witz, teilweise slapstickhaft sind die Zutaten dieser inspirierenden Choreografie „Aunis“ von Jacques Garnier, benannt nach der gleichnamigen Region Aunis um die westfranzösische Hafenstadt La Rochelle.

Erneut: Blick- und Szenenwechsel. Mit Marion Motins „Le Grand Sot“ verlassen wir die französische Küste in Richtung Spanien. Ravels Boléro bildet den Abschluss dieser abwechslungsreichen Reise in die verschiedenen Tanzgattungen und Tanzstile. Sportlich wird es bei Motins „Le Grand Sot“ – zum Glück nicht verbissen – wenn zwei Sportteams den Wettkampf suchen, sich gegenseitig an Ehrgeiz überbieten und schließlich in herrlicher Ironie, Eintracht, ja Harmonie wiederfinden. Schon zu Beginn war das schmunzelnde Glucksen im Publikum unüberhörbar. Anlass bietet nicht nur die sportliche Kleidung mit kurzer Sporthose und einem neckischen Röckchen als Minirock darüber – schon hier: Ironie pur. Die Hüftschwünge zu Beginn des Boléros, die ganz im Kontrast zu dieser hier eher sportlich gemeinten Kreation stehen, tun ihr Übriges. Sie unterstreichen diese witzige Wirkung. Auch in dieser Choreografie zeigt sich die Wandlungsfähigkeit des Bayerischen Staatsballetts, das auch die Hip-Hop-Tanzsprache spannungsreich auf die Bühne bringt und das Publikum in Trance versetzt, bevor sich die Spannung in Jubel entlädt.

Die nächste Choreografie könnte man zusätzlich als „Ortswechsel“ bezeichnen, bedeutet aber beim diesjährigen UniCredit-Fest, dass viele Aktivitäten zu erwarten sind an unterschiedlichen Orten – im Nationaltheater, in der Galerie, im Foyer oder auch im Ballettsaal. Das Nationaltheater übertrifft sich selbst. Längst lautet das Motto nicht nur „Oper für alle“, obwohl auch Kinder zum Mitsingen und alle Besucher zum Melodienraten eingeladen waren. Ergänzend hinzugefügt: „Tanz oder Ballett für alle“. Gereizt hat mich persönlich der Mitmach-Workshop mit der aus Südindien stammenden Anoosja Shastri, ausgebildete Ärztin und professionelle Tänzerin des indischen klassischen Tanzes Bharathanatyam. Ort ist der Ballettsaal oben im Nationaltheater. Am Beispiel einer Szene aus „La Bayadère“ gibt sie wertvolle Einblicke in den klassischen indischen Tanz, der sehr stark von der Mimik, Gestik, natürlich Technik und Symmetrie geprägt ist. Während sich dieser Workshop vorwiegend an Erwachsene wendet, stehen die Kinder bei den nächsten beiden Projekten im Mittelpunkt, Kinder, die mit Feuer und Flamme dabei waren.

Severin Brunhuber hat einen Workshop für Kinder auf die Beine stellt und vermag es mit Feingefühl kleine Kinder mit kleinen Schritten, in die große Welt des Balletts und des Zeitgenössischen Tanzes zu führen. Angefangen mit Pliés, Tendus, Elevés, Chassés. Auch als Tiere erobern die Kleinen die Bühne (hier in der Galerie des Nationaltheaters), ihren Ballettmikrokosmos. Wer kann schon behaupten, er oder sie hätte in der Staatsoper getanzt?

Gelegenheit, sich nach Musik oder nach Papier zu bewegen, dafür sorgt Judith Jäger in ihrem Workshop „Kinderworkshop Musik und Bewegung“. Es mag seltsam, auf jeden Fall originell klingen: Aber hier ging es z. B. darum, wie man sich nach den Bewegungen des Papiers bewegt. Hier war das Papier Chef, wie die Dozentin klarstellt. Die Reise in die Fantasiewelt ließ nicht lange auf sich warten.

Den Abschluss der Reise in die Tanz- und Ballettwelt des „Bayerischen Staatsballetts“ bildet die Führung durch die Balletträumlichkeiten am Platzl – mit allem, was das Leben eines Tänzers einer Tänzerin angenehm und vor allem gesund gestaltet. Neben Fitness-, Proberäumen mit Schwingboden, gibt es spezielle medizinische Unterstützung. Ziel ist es, möglichst passgenau auf die Gesundheitswünsche der Tänzer*innen einzugehen. Schließlich sind sie es, die das Publikum verzaubern, so ein spektakuläres Tanzfest bescheren und so auch die Erinnerung an Konstanze Vernon wachhalten.

 

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