„Triple” von Richard Siegal

Futuristisch, exzentrisch, ironisch

Das Ballet of Difference mit „Triple” von Richard Siegal in Ludwigshafen zu Gast

Das 2015 in München gegründete „Ballet of Difference“ ist ein Erfolgsmodell: seit 2019 mit einer Mischfinanzierung an das Schauspiel Köln angegliedert, hat es in der Domstadt, in der es jahrzehntelang keine Ballettkompanie gab, einen kleinen Tanzhype ausgelöst.

Ludwigshafen, 16/06/2023

Beim Gastspiel seines dreiteiligen Ballettabends „Triple“ in Ludwigshafen sitzt Richard Siegal weit weg von der Bühne im Parkett. Der distanzierte Blick auf die Bewegungen der fulminanten Tänzer*innen seines „Ballet of Difference“ ist Programm: Mit genauso viel kenntnisreichem Abstand setzt er in seinen Choreografien das Vokabular des klassischen Balletts höchst aktuell ein.

Sein Umgang mit den Traditionen des Spitzentanzes erinnert an William Forsythe. In seiner Frankfurter Zeit erlangt er internationale Bekanntheit mit der Fähigkeit, das „Handwerkszeug“ des klassischen Balletts schonungslos zu analysieren und die Tänzer*innen trotzdem zu atemberaubenden technischen Bravourstückchen herauszufordern. Die künstlerische Verwandtschaft ist nicht zufällig – Richard Siegal war lange Jahre prägender Solotänzer bei Forsythe.

Seine eigenen Arbeiten atmen ein sicheres Gespür für hoch aktuelle Ästhetik. Bühne, Kostüme, Licht und Musik zeigen ihn als sensiblen Zeitgeist-Chronisten. Im dreiteiligen Ballettabend „Triple“ geht es mal futuristisch zu („All for One“) mit skulpturalen Kostümen und einer faszinierenden Licht-Installation; mal in einer verblüffenden Mischung aus mathematischer Präzision und exzentrischer Nachtclubatmosphäre („Metric Dozen“); mal in einem ironischen Mix aus Ballett, Rock und Popkonzert („My Generation“). Der klug zusammengestellte Abend riss auch das Pfalzbau-Publikum beim Schlussbeifall von den Sitzen.

Das 2015 in München gegründete „Ballet of Difference“ ist ein Erfolgsmodell: seit 2019 mit einer Mischfinanzierung an das Schauspiel Köln angegliedert, hat es in der Domstadt, in der es jahrzehntelang keine Ballettkompanie gab, einen kleinen Tanzhype ausgelöst. Ob zuhause oder auf internationalen Gastspielreisen – die Aufführungen sind mit schöner Regelmäßigkeit ausverkauft. Ausgerechnet die neue Kölner Ballettbegeisterung könnte dem „Ballet of Difference“ zum Verhängnis werden: Jetzt soll tatsächlich eine dritte Sparte an den Kölner Bühnen her und erst einmal offiziell ausgeschrieben werden. Richard Siegal darf sich, wenn alles gut geht, bewerben. In der Zwischenzeit tickt für ihn allerdings die Uhr – sein Vertrag läuft Ende der nächsten Spielzeit aus, und ohne Planungssicherheit kann er seine fulminante Truppe nicht halten.

Um eine Company wie das „Ballet of Difference“, die Balletttradition mit der sensibler künstlerischer Zeitgenossenschaft auf höchstem Niveau verbindet, wird Köln weit über die Grenzen des Landes hinaus beneidet. Hoffentlich geht diese Einsicht in der Kölner Kommunalpolitik nicht erst auf, wenn es zu spät ist. Richard Siegal, sichtlich gezeichnet von der Anspannung in seiner kritischen Situation, hofft noch auf politische Einsicht in letzter Minute; ein Plan B für den Erhalt seiner Company ist nicht in Sicht.

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