„Eine große Ehre“
Tarek Assam zum Sprecher der Bundesdeutschen Ballett- und Tanztheaterdirektoren Konferenz gewählt
Beide leben schon seit Jahren in Deutschland, beide sind mit ihrem spezifischen Tanzstil erfolgreich. Rosolen hat zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt studiert und Choreografie/Performance bei der Angewandten Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen. Ein theoriegebundener Ansatz ergibt sich daraus.
Ihre Fragestellung für dieses Stück: Wie wirken sich die Erforschung der Welt und technische Entwicklungen auf den Einzelnen aus? Als prototypisch für rasante Neuerungen gilt die Barockzeit, an die Rosolen in ihrer Choreografie assoziativ anknüpft. Dabei hilft vor allem das hoch ästhetische Bühnenbild, das Rosolen gemeinsam mit Bühnenbildner Lukas Noll entwickelt hat. Auf rot glänzendem Tanzboden, vor schwarzen Wänden mit goldfarbenen Fußleisten und Türrahmen, bewegen sich fünf Tänzer*innen in zeitlupenhaftem Gleichklang. Die schwarzen Kostüme sind am Oberkörper enganliegend und bis an den Hals geschlossen, verziert mit Teilstücken von barocken Halskrausen. Religiöse Strenggläubigkeit und züchtiges Verhalten sind assoziierbar. Im Anfangsteil dominieren die weit ausladenden Reifröcke optisch, sie bestimmen auch den vorsichtigen Bewegungsmodus der Tanzenden. Es wirkt wie ein Schweben oder wie das Gleiten auf Magnetbahnen. Zusammen mit der spotartigen Beleuchtung entstehen wunderschöne Bilder, die auch an das typische Chiaroscuro (Helldunkel) in Caravaggio-Gemälde erinnern.
Die Bewegungen verändern sich im Laufe des Stücks. Am Anfang sind sie aufrecht, steif und kreiselnd, was dem Stück den Namen Orbis (= Kreislinie) gab. Mit Ablegen der Oberröcke werden die Beine sichtbar und höfische Tanzbewegungen vorgeführt. Der Kampf mit den gummiartigen Reif-Unterröcken bringt tierartige Wesen hervor, nun ist auch das bodennahe Kriechen möglich. Am Ende ähneln sie in ihren schwarz-glänzenden Ganzkörperanzügen, akzentuiert einzig durch rote Socken, Tauchern, die neue Welten erkunden.
Die Musik stammt von Emilian Gatsov, der computergenerierten Sound mit Naturgeräuschen kombiniert und mit wummernden Techno-Bässen unterlegt. Erst bei der letzten Szene ist Barockmusik zu hören, eine Interpretation von Henry Purcells „Cold Song“. Die Figuren agieren emotionslos und fremdbestimmt, die Atmosphäre ist fremd und die Gesamtwirkung hypnotisch. Doch verliert sich die Spannung im Laufe des 70-minütigen Stücks, das Schauen ermüdet. Straffung würde dem Ganzen guttun.
Paula Rosolen bringt in „Orbis“ Erfahrungen aus Historie und Gegenwart zusammen, fassbar mit den Begriffen Fremdbestimmtheit und Orientierungslosigkeit. Das Umherkreiseln löst eine Form des Schwindels aus, die auch wir in einer zunehmend komplexer werdenden Welt erleben.
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