„Kono atari no dokoka“ von Michikazu Matsune und Martine Pisani.

„Kono atari no dokoka“ von Michikazu Matsune und Martine Pisani. 

Poesie der Langsamkeit

Uraufführung von Maria Hassabis „On Stage“ sowie „Kono atari no dokoka – Somewhere around here“ von Michikazu Matsune und Martine Pisani im Tanzquartier Wien

Getanzt wird an beiden Abenden wenig, wobei Maria Hassabi ständig in Bewegung ist – allerdings in Superzeitlupe. Bei Michikazu Matsune und Martine Pisani überwiegt das gesprochene Wort, steht doch Pisanis Biografie im Vordergrund.

Wien, 28/11/2023

Auf der tiefschwarzen Bühne erkennt man die Protagonistin zu Beginn von „On Stage“ nur schemenhaft. Erst langsam schält sich Maria Hassabi aus der Dunkelheit. In machohafter Pose, breitbeinig und die Hände in den Hosentaschen, den Blick auffordernd intensiv ins Publikum gerichtet, steht sie am vorderen Bühnenrand. In Superzeitlupe beginnt sie sich zu bewegen, verlagert das Gewicht auf ein Bein und dann wieder zurück auf das andere. Langsam werden die Hände aus den Hosentaschen gezogen. Kaum merklich passieren die Veränderungen der Posen, denn die extreme Langsamkeit ist das Hauptmotiv des ganzen Stückes. 

Während gut 50 Minuten bleibt auch der herausfordernde Blick meistens ins Publikum gerichtet. Dabei lässt sich Hassabi nicht von der teilweise beginnenden Unruhe im Publikum – der Blick aufs Handy ist manchem wichtiger als das Geschehen auf der Bühne – aus der Ruhe bringen. Vielleicht ist auch manche*r enttäuscht, denn die Ankündigung, dass „nahtlos von einem ikonischen Bild zum nächsten“ gewechselt wird, evoziert natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung. Ikonische Bilder hat der Autor dieser Rezension nicht unbedingt erkannt, wobei zwischendurch die Gedanken plötzlich zu James Dean und Marilyn Monroe abschweifen; vielleicht haben die Posen das Unterbewusstsein angesprochen. 

Der Lichtfokus (Aliki Danezi Knutsen) ist immer auf Hassabi gerichtet, wobei der Lichtkegel die Größe ändert und auch einmal die komplette Bühne hell erleuchtet ist. Stavros Gasparatos hat eine Soundscape geschaffen, die an ein Strandgeschehen erinnert: immer wieder hört man Meeresrauschen und Stimmengewirr, zwischendurch aber auch an Filmmusik erinnernde kurze Kompositionen. Beeindruckend sind Hassabis Körperbeherrschung – ist doch die Langsamkeit der Bewegung fast herausfordernder als ein zirzensisches Herumspringen – sowie ihre energetische Bühnenpräsenz. Auch wenn das Publikum nicht immer aufmerksam war, so zeigt es sich beim Schlussapplaus sehr enthusiastisch.

Mehr Lecture als Performance ist „Kono atari no dokoka – Somewhere around here“ von Michikazu Matsune und Martine Pisani geworden. Im Fokus des Abends stehen Leben und Werk der französischen Choreografin Pisani, deren Arbeiten auch in Wien zu sehen gewesen sind. Durch die Flüchtigkeit des Tanzes ist es schwierig, diesen wieder zu erinnern; Matsune hat sich dieser Herausforderung gestellt. Unterstützt wird er dabei von Theo Kooijman, der bei Pisani gearbeitet hat. Entstanden ist ein Abend, an dem über Pisanis Leben und ihre Arbeiten erzählt wird sowie kurze rekonstruierte Tanzsequenzen und Videos gezeigt werden. Pisani, die aufgrund einer Erkrankung mittlerweile im Rollstuhl sitzt, wird von Matsune auf der Bühne befragt. Wobei diese Interviewsituation in Kobe, Matsunes Geburtsort, spielt und somit auch auf Japanisch übersetzt wird. Die Japanreise der drei Darsteller*innen hat es wirklich gegeben. Viel Applaus für diesen dramaturgisch gut aufgebauten, informativen und auch wichtigen Abend, der durch eine kleine Publikation mit zahlreichen Fotos, die am Ende gratis an Interessierte verteilt wird, zu Hause nachwirkt.

 

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