„Precious Camouflage“ von Charlotte Triebus x Mirevi, Tanz: Ensemble

„Precious Camouflage“ von Charlotte Triebus x Mirevi, Tanz: Ensemble

Spucke und Subversion

Charlotte Triebus x Mirevi experimentiert am tanzhaus nrw mit „Precious Camouflage“

Die Choreografie aus theoretischer Forschung und künstlerischer Praxis bringt spezialisierte Technologien in die Kunst und künstlerische Perspektiven in die Wissenschaft.

Düsseldorf, 11/06/2024

Von Carlotta Ortinger

Wie beeinflussen KI-Agenten den Körper? Was macht den menschlichen Körper aus, und inwiefern unterscheidet er sich von künstlichen Intelligenzen? Die in Köln lebende Choreografin Charlotte Triebus und ihr Ensemble der New Human Body Society erforschen diese Fragen in Verbindung von Kunst, Bewegung, Körperlichkeit und Technologie.

In Zusammenarbeit mit der interdisziplinär arbeitenden Forschungsgruppe Mirevi der Hochschule Düsseldorf entsteht ein Raum, in dem die vier Tänzer*innen Annalise Van Even, Esther Siddiquie, Yurika Sophie Yamamoto und Misha Osthenrath in eine Interaktion mit KI-Agenten treten. Dabei nehmen verschiedene KI-Systeme Informationen des in kühles Licht getauchten Raums durch eine am Rand der Bühne stehende Kamera auf. Die Outputs in Form von Text und Bild werden von den KIs auf fünf im Bühnenraum platzierten Screens visualisiert. So entstehen Live-Interaktionen zwischen Performer*innen und KI-Agenten, in denen präzise und repetitiv ausgeführte Bewegungen von der KI beschrieben oder körperliche Kontrolllosigkeit und Schütteln in ihrer prozentualen Zusammensetzung analysiert werden: „99,5% Raum, 61% Entertainment, 24,7% Performance“.

Postdigitale Gesellschaft

In einer postdigitalen Gesellschaft, in der virtueller und realer Raum nicht mehr voneinander zu trennen sind, wird die Auseinandersetzung mit Technologien zentral. Dass der menschliche Körper eine Handlungs- und Entscheidungsmacht in der Beschäftigung mit künstlichen Intelligenzen bewahrt, wird von den Tänzer*innen immer wieder herausgefordert. „Precious Camouflage“ verhandelt die Grenze zwischen einer Entwicklung mit den Technologien und einer Kritik an diesen differenziert und clever.

Auf den Screens erscheinen Bilder hyperidealisierter Körper, an anderer Stelle verpixelte Meereswellen. In einer abstrakten Sprachlichkeit wird eine futuristische Atmosphäre geschaffen, in der offen bleibt, wer hier eigentlich wen bewegt – die menschlichen Körper die KI oder andersherum? Wenn die Tänzer*innen kniend auf dem Boden sitzen und zu sabbern beginnen, wird die in kleinen Pfützen auf den Boden tropfende Spucke als Produkt des Körpers zum Zeichen von etwas Menschlichem. Denn ist das, was da aus dem Körper herauskommt und jetzt auf den Boden tropft, noch Teil des menschlichen Körpers? Spannend ist, dass die KI-Agenten nicht erkennen, wenn der Mensch sabbert. Dass sich die Performer*innen hier von der KI emanzipieren schafft eine Live-Interaktion, bei der eine Unvorhersehbarkeit bestehen bleibt.

 

Bewegungsmelder – Nachwuchswerkstatt für Tanzjournalismus aus NRW

 

Dieser Text entstand im Rahmen des Projekts „Bewegungsmelder – Nachwuchswerkstatt für Tanzjournalismus aus NRW“, einer Kooperation von tanznetz mit dem Masterstudiengang Tanzwissenschaft des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz (ZZT) an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und dem nrw landesbuero tanz.

 

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