„An der Freien Kunst zu sparen, kostet zu viel.“

Petition gegen die Kürzungen bei den Bundeskulturfonds und des Bündnis internationaler Produktionshäuser vorgestellt

Mit einer Petition und viel prominenter Unterstützung protestieren die Kulturschaffenden gegen Kürzungen der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Mehr als 30.000 haben bereits unterschrieben.

Berlin, 02/09/2024

Für Eilige: Hier kann die Petition gegen die Kürzungen gezeichnet werden.

Regisseur*in Heinrich Horwitz und zahlreiche Künstler*innen im HAU Hebbel am Ufer haben heute in Berlin eine Petition gegen die massiven Mittelkürzungen für den Bereich der freien darstellenden Künste im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 vorgestellt. Der Kabinettsbeschluss sieht die komplette Streichung der Mittel für das Bündnis internationaler Produktionshäuser und Kürzungen um rund 50 Prozent beim Fonds Darstellende Künste, dem Musikfonds und den weiteren Bundeskulturfonds vor. Über 20 bundesweit und international agierende Künstler*innen plädierten in Statements dafür, den Entwurf zu korrigieren. Die eindrucksvolle Liste der Unterstützer*innen (wie u.a. Sandra Hüller und Igor Levit) wird nach Abschluss der Laufzeit von sechs Wochen am 11. September an die Adresse der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt übersandt.

Heinrich Horwitz, Initiator*in der Petition, eröffnete: „Die große Resonanz auf die Petition belegt das öffentliche Interesse, das die Freien Künste auch in der Breite der Gesellschaft erreicht; wie stark ihre bundesweiten und auch internationalen Wirkungen sind. In einer Zeit, in der Diversität und Gleichstellung von Personen mit Marginalisierungserfahrungen, Intersektionalität und Gemeinschaftsbildung in den Fokus von Medien, Gesellschaft und Kultur rücken, erleben wir gleichzeitig einen starken Backlash, Gewalt und Retraumatisierung. Wir brauchen die Freien Künste, um an einer zukunftsweisenden heterogenen Gesellschaftsbildung arbeiten zu können, um unhörbare Stimmen zu verstärken, Schutzräume zu schaffen, Sichtbarkeit zu erzeugen und um Diskriminierung entgegenzuwirken.“

 „Whenever budgets are being tightened, or costs are questioned – disabled people in society are always the first to be affected. The potential damage to the progress that has been made at this early stage of development is enormous. Progress that has evolved artforms and expanded audiences. Anyone agreeing to these cuts is saying a shameful yes to again reducing the presence of the bodies, minds and voices who question what is perceived as normal and the status quo,“ betonte die Choreografin und Tänzerin Claire Cunningham.

Kahlschlag in Zeiten wachsender antidemokratischer Kräfte

 „Es ist schwer zu begreifen, warum gerade jetzt, warum gerade in einer Zeit wachsender antidemokratischer Kräfte diese Entscheidung getroffen wird. Mit Kahlschlag in der Kultur kennen wir uns aus: 2011/12 waren wir Zeug*innen, wie die rechtsliberale niederländische Regierung ein Fördersystem geschreddert hat, das weltweit als besonders progressiv angesehen wurde. Diese Erfahrung hat gelehrt, dass die Rechtspopulist*innen gar nicht mit in der Regierung sitzen müssen, um Regierungshandeln massiv zu beeinflussen.  Wer jetzt bei der Kunst spart, schwächt die Demokratie,“ kontextualisierte Alexander Karschnia von andcompany&Co. die politische Dimension der Entscheidung.

„To cut or weaken the outstanding theatres, festivals and other performing arts initiatives in Germany at this moment is absolutely catastrophic – for many of us the scene here presents shining points of reference in the worldwide network of independent productions, artistic development and discourse. Cuts will be felt sharply and negatively here in Germany no doubt, but I am here to tell you that the damage will be seen and felt strongly and with great dismay elsewhere too. Please protect funding for the performing arts sector in Germany and its connections with international practice. What you have built here is unique, vital and necessary, highly regarded and respected. Don’t lose it“ appellierte Tim Etchells, künstlerischer Kopf der Britischen Performance-Stars Forced Entertainment.

Nikolaus Müller-Schöll, Professor für Theaterwissenschaft am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt/M fasste zusammen: „Und hier genau müsste eine vorausschauende Kulturpolitik die große Bedeutung und die zentrale Funktion der Förderung sehen, die jetzt gestrichen wurde: Was hier eingespart werden soll, ist das Versuchslaboratorium dieser Theater- und Orchesterlandschaft, ihre Zukunftswerkstatt. Nirgendwo sonst wird so konsequent an der Internationalisierung gearbeitet, am Einbezug bislang unterrepräsentierter Gruppen, an der Ausrichtung an den Maximen von Nachhaltigkeit, Inklusion und Teilhabe wie in den Produktionshäusern, nirgendwo kommen die Mittel so direkt bei denjenigen an, die die kreative Produktivkraft des ganzen Systems sind, bei den Künstler*innen, wie in der freien Kunstförderung.“

Die Initiator*innen und Unterstützer*innen dieser Petition drängen mit weiteren Initiativen und künstlerischen Aktionen auf eine Korrektur der Haushaltsaufstellung und erwarten von Parlament und Regierungsparteien eine deutliche Stärkung für die Freien Künste, wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

Aktionstag des Dachverbands Tanz am 13. September in Berlin

Zusätzlich zur Petition veranstaltet der Dachverband Tanz am 13. September 2024 gemeinsam mit Bureau Ritter und JOINT ADVENTURES / NATIONALES PERFORMANCE NETZ  in Berlin am Brandenburger Tor den Aktionstag „Tanz schafft Zusammenhalt“. Ab 15.00 Uhr findet ein Programm aus Performances, Präsentationen, Mitmach-Aktionen, Interviews und Gesprächen statt – für alle Interessierten, Passanten, Politiker*innen und Bürger*innen. Der Aktionstag mündet um 18.00 Uhr in eine große Tanzkundgebung vor dem Brandenburger Tor – mit Tanz und für den Tanz. Statements von Künstler*innen und Vertreter*innen von Kulturverbänden, Gewerkschaften und Politik mischen sich mit Musik und Tanz. Alle sind herzlich eingeladen mitzudemonstrieren und mitzutanzen.

Hier kann die Petition gegen die Kürzungen gezeichnet werden.

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