„Leise schäumt das jetzt“ von Britta Lieberknecht, Performance: Ensemble

„Leise schäumt das jetzt“ von Britta Lieberknecht, Performance: Ensemble

Klar, unprätentiös, intuitiv

In „Leise schäumt das jetzt“ von Britta Lieberknecht kollaborieren Körper und Instrumente in der Alten Feuerwache in Köln

Einklang im Zweiklang - ein Abend, der nachwirkt und trotzdem das Gefühl hinterlässt, dass das nicht alles war, noch etwas kommen könnte. Doch das Stück bleibt sich selbst ganz genug.

Köln, 17/07/2024

Von Frederike Bohr

Ein hellerleuchteter weißer Raum. Vier Akteur*innen mit und ohne Instrument erkunden ihn in großer Konzentration. Von Anfang an spürt man die Erfahrung aller Beteiligten. Die Bewegungen wirken klar, unprätentiös, intuitiv. Die Musizierenden verschmelzen regelrecht mit ihren Instrumenten. Akkordeon und Geige werden zu verlängerten Armen und Beinen, spielen eine tragende Rolle. Zusammen mit der Akkordeonistin Eva Zöllner, dem Violinisten Harald Kimmig und der Tänzerin Lilo Stahl entführt Britta Lieberknecht in ihrem neuen Projekt in eine Klangwelt voller Geschichten. Tanz und Musik begegnen sich in wechselnden Konstellationen, im Durcheinander, suchen passende Positionen. Entschlossenheit liegt in der Luft. Töne werden langsam hörbar, erst leise, dann immer lauter. Die Tänzerinnen passen sich den schnell wechselnden Qualitäten der Klänge an. Klang und Körper, Musik und Bewegung werden eins. 
    
Interdisziplinäre Konstellationen


Britta Lieberknecht hat sich als Tänzerin und Choreografin schon seit längerem auf die Interaktion von Tanz mit Neuer, Alter und improvisierter Musik spezialisiert. Ihr Werdegang ist ein Weltenwandern, durch und durch interdisziplinär: In den 70er Jahren studiert Lieberknecht zuerst an der Kunstakademie in Düsseldorf, danach zieht es sie an die Amsterdam Theaterschool mit Fokus auf Modernen Tanz. In Italien lernt sie Clownerie und vertieft sich in Commedia dell’Arte, diese Kunst des Körpertheaters im Spiel mit der Maske. Danach absolviert sie in New York eine Ausbildung an der Merce Cunningham School und zeigt eigene Solotanzstücke und Straßenperformances. Seither arbeitet Lieberknecht immer wieder in wechselnden interdisziplinären Konstellationen.
In „Leise schäumt das jetzt“ nimmt die Beziehung von Tanz und Musik immer neue Formen an. Körper und Instrumente kollaborieren vielschichtig, verhandeln mögliche Bezüge und Beziehungen: Man assoziiert Verzweiflung und Kampf, kurze Entspannung und die Suche nach Nähe, den Wunsch nach Distanz und die Wiederkehr vor dem Abschied. So deutlich die Geigentöne Kimmigs auf die schwerelos wirkenden filigranen Bewegungen Stahls treffen, so klar, kraftvoll und intuitiv wirkt die Kommunikation zwischen den tiefen Akkordeon-Klängen Zöllners und Lieberknechts konsequent entschiedener Bewegungspräsenz.

Zweisam einsam


Es geht um Intuition und Improvisation, um die Entstehung von Momenten. Der in der Ankündigung beschriebene „Verzicht auf einen vorgefassten Plan“ ist nicht immer nachvollziehbar. Die Bewegungen wirken mal geplant und dann wieder ganz aus dem Moment entsprungen. Und trotzdem gelingt es den Performenden, Geschichten zu erzählen. Das Lichtdesign (Garlef Keßler) wirft ein Schattenspiel an eine Wand. Wechselnde Farbnuancen eröffnen zusätzliche Erzählebenen.

Der Abend schließt mit einer Zusammenkunft der vier Performer*innen. Man geht in Kontakt, inspiriert sich gegenseitig. Die Tänzerinnen reagieren auf die kleinste Veränderung, die von den Instrumenten ausgeht. Dynamiken wechseln: Während Stahl sich in staccatohaften Rhythmen bewegt, vollzieht Lieberknecht langsame Bewegungen aus der Horizontale in die Vertikale, als würde sie dahinschmelzen. Das Tempo steigert sich, wird schneller. Zweisam einsam im Wechsel der Gefühle. 
Die Musik bäumt sich auf. Ein letzter heller Ton geht durch Mark und Bein. Eine letzte Bewegung, ein letztes Durchatmen. Dann ist Ruhe. „Leise schäumt das jetzt“ ist ein Abend, der nachwirkt und dabei trotzdem ein wenig das Gefühl hinterlässt, dass das noch nicht alles war, dass noch etwas kommen könnte. Doch das Stück bleibt ganz sich selbst genug. 
 

 

Bewegungsmelder – Nachwuchswerkstatt für Tanzjournalismus aus NRW

 

Dieser Text entstand im Rahmen des Projekts „Bewegungsmelder – Nachwuchswerkstatt für Tanzjournalismus aus NRW“, einer Kooperation von tanznetz mit dem Masterstudiengang Tanzwissenschaft des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz (ZZT) an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und dem nrw landesbuero tanz.

 

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