HAMLET von Dada Masilo / The Dance Factory (ZA)

 

Über die Liebe

„Dada Masilo’s HAMLET“ und „polymono“ von Christine Gaigg: zwei Uraufführungen bei ImPulsTanz in Wien

Dada Masilo verdichtet Shakespeares „Hamlet“ auf knackige 70 Minuten und gibt dabei Ophelia mehr Raum. Christine Gaigg verstärkt bei ihrer performativen Sex-Positive-Party die Rolle des Publikums als Voyeur*in.

Wien, 27/07/2024

Der nächste Klassiker war an der Reihe: Nach „Swan Lake“, in welchem der Prinz homosexuell ist, und einer Giselle, die endlich Rache üben darf, widmete sich die südafrikanische Choreografin Dada Masilo nun einem der bekanntesten Dramen Shakespeares. Mit „Dada Masilo´s HAMLET“ ist ihr wieder das schier Unmögliche gelungen. Sie verbindet europäische mit afrikanischer Kultur, respektiert dabei das Original und schafft doch etwas Neues. Es beginnt mit den wohl bekanntesten Worten: „To be, or not to be, that is the question…“. Auf leerer Bühne spricht Hamlet, gespielt von Aphiwe Dike und getanzt von Leorate Dibatana, den Monolog. Dann nimmt das Drama seinen Lauf. Die Wachen sehen in einer Vision die Ermordung des Alten Königs durch dessen Bruder Claudius – überzeugend gelöst durch eine Videoprojektion. Hamlet verspricht, den Tod zu rächen. Doch dazu geht er über mehrere Leichen und am Ende stirbt die gesamte Hofgesellschaft, nachdem niemand mehr weiß, welcher Kelch vergiftet ist.

Dada Masilo tanzt Ophelia: kein Wunder also, dass dieser Rolle mehr Raum gegeben wird. Doch das ergibt durchaus Sinn. Man sieht ein berührendes Liebesduett zwischen Ophelia und Hamlet und später, nach Hamlets Mord an ihrem Vater, stehen sich Königin Gertrude und Ophelia in ihrer Trauer gegenseitig bei. Doch das bewahrt Ophelia nicht davor, dem Wahnsinn zu verfallen. Vollkommen entblößt wird sie am Ende die Leichen mit Blumen bedecken, bevor sie selbst den Tod durch Ertrinken wählt. Dazu übergießt sie sich mit Wasser, in dem Rosenblüten schwimmen, aus einem Glasgefäß, das seit Stückbeginn auf der Bühne steht. Dieses Rosenwasser kann auch als reinigend gesehen werden. 

Es ist eine gut gemachte Mischung aus Musik, afrikanischem und zeitgenössischem Tanz sowie Schauspiel. Alles passiert auf einer leeren Bühne, Orte werden durch Projektionen angedeutet. Beeindruckend vor allem Performer*in Albert Khoza als Gertrude mit unglaublicher Stimme, tänzerischer Leichtigkeit und raumfüllender Bühnenpräsenz. Dass diese Uraufführung auf der Bühne des Wiener Burgtheaters stattfinden konnte, ist wieder einmal dem unermüdlichen Einsatz des ImPulsTanz-Teams zu verdanken, denn fast wäre das Ensemble in Zürich gestrandet. Aber auch davor gab es so manche Visa-Herausforderung zu bewältigen. Zu Recht Standing Ovations!

 

Freie Liebe

Wieder einmal hat die österreichische Choreografin Christine Gaigg ein Stück über Liebe und Sexualität geschaffen. In „polymono“ regt sie dazu an, über normative monogame Beziehungen nachzudenken. Als das Publikum den Raum betritt, ist es mit einem Knäuel aus fast nackten Körpern konfrontiert. Nur schwer ist auszumachen, zu wem die einzelnen Gliedmaßen gehören. Rhythmisches synchrones Atmen der Performer*innen erfüllt den Raum. Nach einiger Zeit wird man von Gaigg darüber aufgeklärt, dass dies die Schlussszene aus ihrem 2014 uraufgeführten Stück „Maybe the way you made love twenty years ago is the answer?“ war. Zehn Jahre später gibt es nun eine Art Fortsetzung.

Nachdem Gaigg die Spielregeln erklärt hat, unter anderem, dass man nicht mitmachen muss und dass ein „Nein“ auch wirklich Nein bedeutet, geht es los. Die fünf Performer*innen, darunter Gaigg, ziehen sich vollständig aus. Langsam beginnen sie sich durch den Raum zu bewegen und den Kontakt mit dem Publikum zu suchen. Dieses scheint allerdings großteils in ein Schockstarre verfallen zu sein, nur langsam finden sich Personen, die mit den Performer*innen in Kontakt treten. Dazwischen immer wieder Überlegungen Gaiggs zu unterschiedlichen Beziehungsformen. Philipp Harnoncourt hat im Raum Bänke und Liegeflächen verteilt. Die Idee, dass diese bespielt werden, ging allerdings nicht wirklich auf, das Publikum saß nur darauf. 

Es ist ein sehr intimes Stück geworden, manche waren damit sichtlich überfordert und verließen den Raum. Zumindest bei der Uraufführung ging die Idee einer wirklichen Publikumsbeteiligung nicht auf. Vielleicht auch, weil es zu viele Personen auf zu kleinem Raum gewesen sind. Für die Zuschauer*innen war zu wenig Platz, um durchgehen zu können, alles fühlte sich sehr dicht gedrängt an. Vielleicht wäre die Performance im Rahmen einer Sex-Positive-Party auch besser aufgehoben gewesen …

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