Frida Kahlo, der Tod und die Bedeutung von Farben
„Frida“ von Ricardo Fernando am Staatstheater Augsburg
Das Drama um den lebenslustigen Dänenprinzen wird vom amerikanischen Choreografen Stephen Mills – nach seiner Inszenierung in Austin/USA vor fünfzehn Jahren – zu einer sehr gelungen zusammengestellten Musik von Philip Glass neu aufgelegt. Das tut niemandem weh, aber teilweise wird für diesen vielschichtigen Stoff von Shakespeare – der auch nach diesem tänzerisch erstklassigen Abend weiter auf eine wirklich befriedigende Umsetzung für ein Tanztheater warten muss – doch zu wenig Reibung erzeugt.
Und indem ich das schreibe, fällt mit ein sehr interessanter Versuch von Daniela Kurz in Nürnberg ein, der zwar auch nicht dem gesamten Werk, aber immerhin in einem Bühnenbild von Rosalie in einer gewagten Interpretation, Hamlet sehr gerecht wurde. Mills versucht nicht eine neue Interpretation, wie sie unser Feuilleton zu einem Erfolg braucht, dafür hat er die Augsburger von Anfang an auf seiner Seite, indem er mit der Einführung des neuen Königspaares, der Mutter Hamlets, Gudrun, mit neuem Gatten, Bruder des verstorbenen Königs Claudius, fast wie in Dornröschen mit großem Hofstaat und einem Fest mit viel Tanz beginnt.
Da ich vor der Vorstellung nie die Gebrauchsanweisung im Programmheft lese, war mir glücklicherweise entgangen, dass eine vorhergehende kurze Szene den sterbenden Hamlet darstellt und alles Kommende quasi als Rückblende gemeint war. Dafür ist es zu brav nacherzählt und für eine Traumsequenz zu ausladend und wenig furchterregend. Das hat Robert Helpmann schon in den 40er Jahren zur Tschaikowski-Fantasie gleichen Titels besser gemacht. Und wenn ich schon diesen Vergleich wage, hätte sich das Ballett nur wenig weiterentwickelt? Aber John Neumeier ist darin Weltmeister. Er schafft glaubhaft in weit über zwei Stunden einen Traum über das Onegin-Thema, was ich auch nicht vorher realisierte, weil sein Stück „Tatjana“ heißt, aber mir nach circa fünfzehn Minuten ein- und aufleuchtete.
Zurück zu unserer Augsburger Produktion „Hamlet“, die in einer kühlen wandelbaren heutigen Architektur spielt, die auch einige Tricks erlaubt, wie die entschwebende Ophelia. Aber die Tänzerin Ana Dordevic, so gut sie ist, so wenig hat sie von der Poesie, die die zugrundeliegenden Texte haben, wenn sie von dem Sträußchen jeweils eine Zeile für jede Blüte, den Vorüberziehenden widmet. Und letztendlich sind fast alle Charaktere nicht nur ein wenig zu jung, vor allem Gudrun, Eveline Drummen, als Mutter von Hamlet, die zwar technisch ihre Aufgabe bestens meistert, aber keine Entwicklung von schlechtem Gewissen über Zorn auf ihren Sohn, der Abhängigkeit dem neuen König gegenüber oder der Verzweiflung über die tödliche Entwicklung und der eigenen Ohnmacht erkennen lässt.
Die Männer haben es etwas besser, wenn auch weder Claudius noch Polonius vom Choreografen nicht wirklich geführt werden und nicht tänzerisch noch spielerisch besonders gefordert werden. Stattdessen gibt es die gute alte Pantomime, die für die Seelenzustände der handelnden Personen nichts bringt. Aber vor allem Ophelias Bruder Laertes, Tamás Darai, hat Möglichkeiten sich in der Rolle choreografisch hervorzutun und ich werde nicht vergessen Erich Payer, in der undankbaren Rolle des ermordeten Vaters und immer wiederkehrender Geist des Hauses, zu erwähnen und wenn Hamlet sich an seine Beine klammern will, um sein Fortgehen zu vereiteln, sprechen Blick und Geste dieses Bühnenprofis Bände.
Und so bleibt es denn bei dem jungen, hochbegabten Theophilus Veselý, der Hamlet ist und an diesem Abend alle an die Wand tanzt, ja lebt. Er ist technisch sicher, und auch in seiner Wandlungsfähigkeit bei den verschiedensten Gelegenheiten dieser Rolle, vom verliebten Gockel, unverstandenen Sohn und schließlich wütenden Gegner des herrschenden Regimes lässt er kaum Wünsche offen. Ein Oscar Werner der Ballettbühne. Leider ist alles, was ich gerade aufgezählt habe, von der Regie her, und die braucht ein Handlungsballett, nur andeutungsweise vorhanden. Stephen Mills bemüht sich choreografisch dafür mehr zu bieten, was er an die Stelle der Texte stellen kann, indem er Charaktere verdoppelt und verdreifacht, wobei ihm aber leider wenig Originelles eingefallen ist. Im Gegenteil, die überzähligen Ophelias müssen sich wegen des Wassers, das die Bühne bedeckt, mühen, nicht hinzufallen, während die irre Ophelia kess das kühle Nass zu schönen Bögen treten darf.
Ich gebe zu, „Romeo und Julia“ ist das dankbarere Ballettstück, und die Produktion aus der vergangenen Spielzeit lässt mich wehmütig zurückschauen. Vielleicht, weil die Choreografin Young Soon Hue etwas mutiger und weniger angepasst ist. Noch ein Wort zur musikalischen Umsetzung von Philipp Glass: Die Augsburger Philharmoniker aus dem Graben unter der Leitung von Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek spielen diese nach wie vor neue Musik herrlich, auch wo sie gewöhnungsbedürftig klingt, aus Überzeugung ohne auch nur einen Anflug von Routine. Und trotz aller Kritik haben die Augsburger, was ihr Ballettverständnis betrifft, wieder Erstklassigkeit bewiesen!
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