„Franje“ von Alfredo Zinola Productions & tout petit, Tanz: Ciska Vanhoyland, Lies Cuyvers und Alfredo Zinola

Alles lebt

Alfredo Zinola mit „Franje“ im tanzhaus nrw Düsseldorf

Bunt, lebendig und eigenwillig – Was wir aus den Dingen um uns herum machen, liegt an uns. Wenn wir aber hinter ihnen verschwinden, werden wir unsichtbar. Ist das gut?

Düsseldorf, 16/03/2025

Alles fängt irgendwann beim Punkt Null an. Oder: bei uns selbst. Im Fall von Alfredo Zinolas „Franje“ für ein Publikum ab 3 Jahren heißt das ganz simpel, dass Ciska Vanhoyland, Lies Cuyvers und Zinola selbst nur in Unterwäsche ihr Publikum begrüßen. Ihre Kostümteile, um die sich hier alles dreht, hängen einzeln im Hintergrund der Bühne.

Spielerisch neugierig setzen sich die drei Performer*innen zu den Kindern. Die Energie im Raum ist nicht zu ignorieren; der Spaß kann beginnen. Rhythmische Sounds aus dem Off geben eine Grundstruktur vor für eine scheinbar nicht zu stoppende Bewegungsfreude. Nach und nach greifen sich die drei einzelne Kostümteile, die ganz wunderbar phantasievoll amorph irgendwas sein könnten und deshalb nach Lust und Laune irgendwie genutzt werden können. Vielleicht ist es ein Ärmel oder ein Hut oder ein Rock. 

Die Bewegungen der Performer*innen mit und in den Kostümteilen zeigen das Entdecken des Eigenlebens der Dinge. Fransen, Rüschen, Troddeln. Alles bewegt sich und wirkt dadurch naturgemäß anziehend. Natürlich macht das Spaß. Gleichzeitig bringt jede Bewegung hypnotisches Potenzial mit, wenn sie über längere Zeit ohne Variation stattfindet. Das ist leider ein dramaturgisches Manko, dass sich durch die 50 Minuten zieht und dadurch das junge Publikum nicht so ganz bei der Stange hält. Ein dramaturgischer Bruch führt sogar zu kurzer Unklarheit unter den Zuschauer*innen, ob das Stück an dieser Stelle vorbei sei. Durststrecken entstehen bei dieser Zielgruppe mit ihren spezifischen Erfahrungen und Sehgewohnheiten bekanntlich sehr schnell. 

Die Performer*innen verschwinden

Langsam treten die Performer*innen immer weiter hinter jenes Eigenleben der Dinge, der Kostümteile zurück, verschwinden zusehends in und unter den vielen Lagen. Das lässt die Ergebnisse schließlich figürlich wirken, so dass das Ganze vom Tanz- zum Objekttheater umkippt. Das ist an sich nichts Kritikwürdiges, nur schafft diese Fokusverschiebung im Ergebnis eben etwas ganz Anderes als Tanz. Bewegung ist ja eben das, was der Körper tut. Wenn der aber nicht mal mehr sichtbar ist, liegt die Bewegung nur noch in den Dingen. Der Körper ist verschwunden und damit der Mensch.

Unübersehbar ist, was die eigene Fantasie aus dem, was uns umgibt, herauskitzeln kann. Alles lebt. Diese Erkenntnis öffnet Türen für das Verständnis von Kreativität, Kunst und Kultur. Fraglich ist aber, inwiefern das für das junge Publikum einen Mehrwert darstellt. Betreibt nicht jedes Kind vor dem heimischen Spiegel früher oder später Mummenschanz mit allen möglichen und unmöglichen Dingen?

Nach dem Ende der Vorstellung dürfen die Kinder selbst die Kostümteile austesten. Aber irgendwie stehen sie etwas überfordert um den großen Haufen herum, der da so reglos und leblos am Boden liegt.

 

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