Das Bayerische Staatsballett mit Balanchine, Robbins und Godani

Eröffnung der Münchner Ballettwoche 2002

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München, 21/03/2002

Zur Eröffnung der Münchner Ballettwoche 2002 also eine Premiere mit Balanchines „Brahms-Schönberg Quartett“ als deutsche Erstaufführung, der Wiederaufnahme von Robbins „In the Night“ und der Uraufführung von Jacopo Godanis „After Dark“ zu Schönbergs „Verklärter Nacht“. Ein groß dimensionierter Abend also, mit dem Bayerischen Staatsorchester (auch in der „Verklärten Nacht“, die Schönberg bekanntlich als Sextett komponiert hat) unter der Leitung von Gabriel Feltz. Ein Abend auch, der wieder bewies: Das Bayerische Staatsballett ist nicht nur die klassischste, sondern auch die eleganteste der drei deutschen Top-Kompanien – Stuttgart und Hamburg haben andere Tugenden (immerhin: drei Kompanien – und gleich danach gibt es dann ja auch noch zweimal Berlin, Düsseldorf und Leipzig plus Frankfurt au concours). Was die tänzerische Qualität anbelangt, so rangiert München heute quasi als bayerische Dependance von St. Petersburg.

Die große Überraschung war das „Brahms-Schönberg Quartett“. Nicht eben ein Hauptwerk Balanchines, erwies es sich bei dieser Gelegenheit in der farblich besten neuen Ausstattung von Hans-Martin Scholder als ein fulminant gesteigertes sinfonisches Ballett, das Brahms‘ Klavierquartett in g-moll, op. 26, sozusagen als Brahms‘ Nullte Sinfonie reklamierte. Wie hier Elena Pankova und Alen Bottaini nebst ihren Akkompagnisten das Andante con moto zelebrierten, und wie dann Lisa-Maree Cullum und Kirill Melnikov im Rondo alla Zingarese über die Bühne stoben, schloss die Balanchine-Choreografie nahtlos an den Finalakt von Petipas „Raymonda“ an.

Und danach dann also Robbins‘ „In the Night“ als kammertänzerische, ziselierte Chopin-Bijouterie – unendlich zart und subtil der Musik angeschmiegt und serviert von Lisa-Maree Cullum, Sherelle Charge und Oliver Wehe, Maria Eichwald und Kirill Melnikov wie eine kostbare Fayence aus der Münchner Filiale des kaiserlichen St. Petersburger Hofjuweliers Fabergé.

Sich gegen so ausgepichte Musikalität zu behaupten, hätte es schon eines anderen choreografischen Formats bedurft als es der fünfunddreißigjährige Italiener Jacopo Godani, der zehn Jahre bei William Forsythe in Frankfurt getanzt hat, zu bieten hatte. Doch derart nonchalant über Schönbergs fragile kompositorische Struktur hinwegzutanzen, mit ständigem herumruderndem Gerenne der Tänzer, die sich immer wieder in Pulks zusammenrotten, die dann auseinanderfallen, beziehungsweise zu Reihenformationen aufschließen, dekuvriert Godani als einen musikalischen Insensibilissimus, als wollte er mit Wherlock in Basel konkurrieren. Ich habe gewiss großen Respekt für Ivan Liška als Münchner Ballettdirektor und seinen Mut, junge Talente zu fördern, doch in der Wahl seiner Uraufführungschoreografen hat er bisher keine glückliche Hand bewiesen.

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