The Stars of the Stuttgart Ballet
Eine lange Ballettgala zu Silvester
An den Beginn der soeben beendeten Saison hat der Stuttgarter Ballettintendant Reid Anderson eine seltsame Personalie gestellt - er erhob Christian Spuck zum Hauschoreografen. Nun ist ein Hauschoreograf nicht nur einer, der den Löwenanteil der Kreationen für das Repertoire einer Truppe beisteuert, sondern er bestimmt wesentlich ihr künstlerisches Profil mit. So war es auch bei Spucks Vorgängern Uwe Scholz, Renato Zanella und Marco Santi. Spuck hingegen schafft seit Jahren in jeder Saison nur ein kurzes Stück für die Compagnie, auch in der kommenden, und verdient im Übrigen sein Geld anderswo. War es Anderson leid, dass er seit sechs Jahren ständig nach dem angeblich intensiv gesuchten Hauschoreografen gefragt wurde, immer mit „Keinen gefunden“ antworten musste und hat nun einfach irgendjemanden dazu ernannt? Eine Mogelpackung? Merkwürdig auch, wie leicht es Anderson von den Händen ging, das Problem zu beheben, dass ihm während und zum Ende der Saison, unterschiedlicher Gründe wegen, die Ersten Solisten Julia Krämer, Robert Tewsley, Tamas Detrich und Vladimir Malakhov - ohnehin nur ein seltener Gast- abhanden gekommen waren: Er hat die Positionen einfach mit bisherigen Solisten, deren mit Halbsolisten und deren mit Corpstänzern ersetzt. Das ist modernes Personal Management.
Doch sonst kann sich das Stuttgarter Ballett mit einer makellosen Spielzeitbilanz schmücken. Schon das neuntägige Festival „40 Jahre Stuttgarter Ballett“ im November war höchst bemerkenswert. Nicht nur wegen seines gewaltigen, dramaturgisch überzeugenden Programms, sondern vor allem, weil an jedem Abend blitzblanker, engagierter Tanz geboten wurde, der dem Ruf der Compagnie große Ehre gemacht hat.
Überhaupt die Zahlen: Zwei Wiederaufnahmen abendfüllender Ballette (Crankos „Onegin“ und Bintleys „Edward II.“), drei Wiederaufnahmen prominenter, kurzer Ballette, drei Neueinstudierungen von einstigen Glanzstücken des Repertoires (Crankos „The Lady and the Fool“, Balanchines „Symphony in C“ und Tetleys „Pierrot lunaire“) - allein das hätte keine andere deutsche Truppe schultern können. Aber dann gab es noch vier Uraufführungen, das eklektische, etwas nervende „Songs“ von Christian Spuck, das somnambule „Somewhere Between Remembering and Forgetting“ der Saarbrücker Ballettdirektorin Marguerite Donlon, das subtile, rührende „Cindys Gift“ des Stuttgarter Tänzers Douglas Lee, und das sensationelle, explosive Lehrstück „Schere Stein Papier“ der Nürnberger Ballettchefin Daniela Kurz.
Und wer sich über die deutsche Erstaufführung von Jerome Robbins köstlicher Kalauerei „The Concert“ nicht kaputtgelacht hat, der musste schon ein rechter Griesgram sein. Respekt vor Anderson, dass er sich beim kontinuierlichen Aufbau des wichtigen Robbins-Repertoires dieser hinreißenden Petitesse erinnert hat. Erfreuliches, wohin man sieht. Die triumphale Asien-Tournee zu Beginn des Jahres, die erstaunliche Entwicklung von Tänzerpersönlichkeiten wie zum Beispiel Alicia Amatriain, immer wieder Bridget Breiner, Katja Wünsche, Friedemann Vogel, Douglas Lee, Jason Reilly und Jiri Jelinek, die viele Hoffnungen wecken, die exzellente, technische Qualität der gesamten Truppe, wirklich bis in die letzte Reihe - da ist erstklassige und seriöse Arbeit geleistet worden.
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