Pierre Wyss: „und ich sah ...“
Tanzstück nach den apokalyptischen Texten der Offenbarung des Johannes
Am Schluss der insgesamt so erfolgreichen, arbeitsintensiven und angebotsvielfältigen ersten Karlsruher Pierre-Wyss-Ballettspielzeit ein herber Flop: Prokofjews „Romeo und Julia“, skelettiert zu knapp zweistündiger Vorstellungsdauer. Das Beste: die blockhafte Wucht, mit der Uwe Sandner und die Badischen Staatskapellisten die Klangmassen Prokofjews aus dem Steinbruch der Partitur modellieren. Auf der Bühne dagegen viel tänzerischer Leerlauf um die diagonal gezackte Landschaftsskulptur – nicht von Daniel Libeskind, sondern von Johannes Conen (der auch die unvorteilhaften Kostüme für die Damen und die Einheits-Bermudas für die ununterscheidbaren Montagues und Capulets entworfen hat).
Keine Rosalinde, keine Amme, kein Bruder Lorenzo, dafür zwei gewaltige Kampfmaschinen à la Leonardo da Vinci für die beiden Warlords Capulet und Montague, ununterscheidbar auch Mercutio, Tybalt, Paris und Benvolio, auch Benito Marcelino als Romeo im Kreise seiner Kumpels und Lisi Grether als Julia neben ihren Baby-Doll-Spielgefährtinnen. Neu sind ein ex machina aus dem Schnürboden herbeisegelnder zorniger Alter Herr, eine Kissenschlacht und am Ende der Doppelsuizid der beiden Liebenden, die sich gegenseitig die Pulsadern aufschlitzen und Blutsgattenschaft geloben, im Schneegestöber. Die Choreografie, der alle gleichermaßen unterworfen sind: das ihnen im täglichen Training eingetrichterte Wyss-Esperanto. So ungefähr stelle ich mir das Ballett nach seiner Total-Globalisierung vor!
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