Roland Petit - 25 Jahre Ballet National de Marseille

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arte, 12/06/2002

Die Entscheidung war nicht schwer: entweder Sasha Waltz mit „Körper“ live bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen oder arte mit einer TV-Sendung über den Galaabend anlässlich des 25jährigen Bestehens von Roland Petits Ballet National de Marseille. Unverbesserlicher Ästhet, der ich bin, entschied ich mich für die Franzosen – auch wenn die Aufzeichnung dieser Gala schon eine Weile zurückliegt.

Eine Sommernacht am Hafen von Marseille, auf offener Bühne, im Hintergrund das Château d‘If – unwiderstehlich! Und unwiderstehlich auch der Doyen der französischen Choreografen (Petit ist Jahrgang 1924, also drei Jahre älter als Maurice Béjart) und unwiderstehlich seine Gattin, die unvergleichliche Zizi Jeanmaire – beide umringt von so viel lebenshungriger Jugend – und solch einem Ballerinenaufgebot (Dominique Khalfouni, Altinai Asylmuratova, Lucia Lacarra) nebst dieser fabelhaften Jungen-Equipe, die gleich das Eröffnungsstück bestritt: „Ma Pavlova“. Lauter Jungs als Schwäne – aber nicht wie diese grässlichen Möchtegern-Ballerinen auf Spitze von den Ballets Trockadero, sondern in ihren weißen Trikots bis zum Bauchnabel und nacktem Oberkörper durchaus ihre männliche Sexiness ausstellend.

Dagegen fiel der Schluss – auch er ganz in Weiß - mit den Reigenformen der „Mère Méditerranée“ etwas ab. Dazwischen eine Parade von Glanzstücken des Petit-Repertoires (nicht nur aus seiner Zeit in Marseille), seine Vielseitigkeit auf den verschiedensten Gebieten demonstrierend (Klassik pur – „Thaïs“, en caractère – „Carmen“, „Bolero“, humoristique – „Charly“ und natürlich, wie denn auch nicht, seine Abstecher in die Music-Halls mit ihren großen Revuen. Eine Stunde pures sinnliches Vergnügen an so viel gebündelter Schönheit! Und ganz ohne schlechtes Gewissen, den Ludwigsburg-Termin versäumt zu haben!

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