Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan mit „Moon Water“

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Baden-Baden, 08/05/2003

Eine Woche nach dem Legend Lin Dance Theatre aus Taiwan mit der „Hymne des Blumengeistes“ beim Wolfsburger Movimentos Tanzfestival (koeglerjournal vom 14. Mai), die erste von drei Vorstellungen im Baden-Badener Festspielhaus mit dem Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan und seiner „Moon Water“-Produktion. Zwei Kompanien gleicher Nationalität, die doch gründlich verschieden sind – identisch eigentlich nur in ihrem so ganz andersartigen Verständnis von Zeit, in ihrem Bekenntnis zur Langsamkeit, während bei uns alles dalli dalli abrollen muss – und in ihrer Beschwörung poetischer Magie. Doch während bei den Taiwanesen der Legend Lin Kompanie alles zum hermetischen Ritual wird, zum abstrakten Exercise einer mythischen Handlung, erscheint bei den Cloud Gate Taiwanesen des Lin Hwai-min alles Mythische, alle Poesie vollkommen in Tanz aufgelöst.

Wir haben ihr Siebzig-Minuten-Stück „Moon Water“ schon vor Jahresfrist in Ludwigsburg zu Gast gehabt (siehe kj vom 14. Mai 2002) – und erlebten nun in Baden-Baden die gleiche Verzauberung – und erlebten sie noch ein bisschen reiner und schöner dank der wesentlich besseren akustischen Verhältnisse im Festspielhaus und der Reduzierung der Lautstärke, so dass man sehr viel konzentrierter auf die Solocello-Suitensätze von Bach hörte und ihre so unglaublich harmonische Verbindung mit der Choreografie von Lin Hwai-min registrierte, während einem in Ludwigsburg die Ohren mit dem übersteuerten Sound derart zugekleistert wurden, dass man lieber weg als hin hörte.

Und so transportierte uns die so wundersam stimmige Chemie zwischen der Musik und dem Tanz augenblicklich, von der so geradezu exorzistisch, so ganz unglaublich geschmeidig und flüssig zelebrierten Introduktions-Sarabande in einen Zustand, der jegliches reale Zeitgefühl suspendierte und uns in den folgenden Duos und kleineren und größeren Ensembles in einem einzigen auf und ab wallenden Fluss ins Finale zurückebbt. Und das mit der ganzen, erstaunlich großen Kompanie, wo sich die Massierung auf der kompakten Klimax bricht, wenn ein Tänzer nach dem anderen zurücktaucht in die Dunkelheit, bis die Bühne leer ist, und sich in den Verwirrspiegeln im Plafond und im Hintergrund nur noch die große Wasserlache auf dem Boden in der Stille kräuselt.

Mit einem Nichts an Dekor (Austin Mang-chao Wang), in den weich fließenden Kostümen (Lin Jing-ru), die dann vom Wasser benetzt eng den Körper wie eine zweite Haut umhüllen, in der ständig fluktuierenden – quasi ebenfalls verflüssigten Beleuchtung (Chang Tsan-tao), von den Tänzern, die einander nur in Ausnahmefällen berühren und doch ihre Motionen in einem unendlichen Fluss durch ihre Körper pulsieren lassen und sie einer an den anderen weitergeben, so realisiert, dass man den Eindruck gewinnt, auch sie sind lediglich in einen anderen Aggregatzustand versetzte Flüssigkeitskörper. Wir tauchen ein in den unendlichen Zeitfluss, aus dem uns erst die Rückkehr in die Dunkelheit unserer Realzeit wieder in die Gegenwart zurückfinden lässt, die sich bekräftigend im Intensivapplaus der Achthundert zu Wort meldet.

Es ist, wie gesagt, eine wundersame Erfahrung – fern aller unserer sonstigen Erlebnisweisen von Tanz, sei es nun als Ballett, sei es als Tanztheater, die man jedem, der überhaupt für den Tanz aufgeschlossen ist, als Horizonterweiterung wünscht. Wozu sich heute und morgen in Baden-Baden noch zweimal die Gelegenheit bietet.

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