Zusammenprall zweier Generationen
Das Cullberg Ballet mit Choreografien von Mats Ek und Johan Inger
Mit zwei Stücken gastierte das schwedische Cullberg Ballet im Ludwigsburger Forum am Schlosspark. Die Kompanie, gut anzusehen und mit kraftvollen Tänzerindividualitäten bestückt, zwölf an der Zahl, befindet sich augenblicklich in einer Übergangsphase. Von Birgit Cullberg 1967 gegründet und lange von ihr geleitet, dann, von 1980 an, acht Jahre lang unter der Direktion ihres Sohnes Mats Ek, der ihr seinen unverkennbar eigenwilligen choreografischen Stil aufprägte und ihr auch weiterhin eng verbunden ist (wie Jiří Kylián dem Nederlands Dans Theater), seit 1995 unter der Direktion von Lena Wennergren-Juras und Margareta Lichtström, kriegt von der nächsten Saison einen neuen Chef: den Schweden Johan Inger, der sich seine choreografischen Sporen beim NDT verdient hat, und der ja erst kürzlich mit dem NDT II in Ludwigsburg zu Gast war.
Der Einfluss von Kylián und dem NDT ist unübersehbar – wie ja auch bei Nacho Duato, der inzwischen seine eigene spanische Kompanie hat. So wird mehr und mehr deutlich, wie eng die europäische Tanzszene inzwischen mit dem NDT vernetzt ist (auch Stuttgart kommt nicht darum herum, unterhält ja seit jeher eine enge Beziehung zu Hans van Manen und Kylián und kündigt für sein bevorstehendes Dutch Dance Programm den ebenfalls beim NDT engagierten Paul Lightfoot als Choreografen an). So weit, was die Globalisierung des europäischen Tanzes angeht.
Der Einfluss Kyliáns ist bei der holländischen Choreografin Didy Veldman besonders deutlich, deren „I remember red“ für neun Tänzer zu einer Collage aus Musikstücken von Bach bis zu Schnittke eine Reihe von Traumsequenzen als Erinnerungsfetzen aneinander fügt: von den Farbwellenlinien des Zwischenvorhangs bis zur Tänzerreihenaufstellung mit dem Rücken zum Publikum, aus der sich dann kleinere Gruppen und Soli abspalten – am bemerkenswertesten zwei waghalsige Soli auf roten Kerzenstümpfen, bei denen die Tänzer in der Luft zu schweben scheinen, und dann ein Frauenensemble mit ballonartigen Bäuchen, die, wenn die Männer hinzukommen, zu allerlei erotischem Techtelmechtel herausfordern. Das 35-Minuten-Stück ist voller Brüche und abrupter Übergänge, hält aber seine traumschwere Stimmung durch und wirkt insgesamt wie aus einem Gemischtwarenladen der zeitgenössischen Choreografie mit Ready-Mades bestückt.
Einen ähnlichen Supermarkt der Stile bietet dann auch das mit einer Stunde viel zu lange Stück „Fluke“ von Mats Ek, das zu einer Allerwelts-Auftragsmusik des Flesh Quartetts getanzt wird, unterbrochen von Dialogen, von denen man kein Wort versteht. Zwei große Würfel sind in die Choreografie einbezogen, dienen auch als Tanzfläche und für Projektionen, werden im Raum hin und her geschoben, stellen sich den Tänzern in den Weg, die sich zwischen ihnen hindurchzwängen, oft reihenweise in einem Watschel- und Schüttelschritt. Konflikte werden ausgetragen, mal mehr freundlich, ja liebevoll, dann wieder ziemlich brutal, beaufsichtigt und arrangiert von einem großen Mann in Schwarz. Besonders gut bestückt scheint die Kaugummi-Abteilung des Supermarktes zu sein – es ist erstaunlich, was man mit in die Länge gezogenen Kaugummis alles anstellen kann, sogar richtige Fesselungsspiele.
Immer wieder bricht bei Mats Ek sein skurriler, wohl ausgesprochen schwedischer Humor durch. Sein Supermarkt hat auch eine China-Abteilung, und so gibt es ein chinesisches Show-Programm, das in eine Schlacht mit roten Bällen mündet, die von der Bühne ins Parkett und wieder zurückgeworfen werden. Auf diese Weise ist reichlich für Abwechslung gesorgt, doch die in der Mitte des Stück stehenden Pas de deux und de trois um einen Tisch mit ihrem unverständlichen Gebrabbel würden noch amüsanter wirken, wenn sie auf die Hälfte reduziert würden. Lustig sind die sich verselbständigenden Gegenstände, die die Tänzer ins Schlepptau nehmen und über die Bühne schleifen – und am lustigsten ist der Schluss mit der Masseninvasion der schwarzen Mäuse. Das Publikum hatte jedenfalls seinen Spaß, ist ja auch tänzerisch ausgesprochen amüsant unterhalten worden.
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