Intensiver geht's nimmer
Saburo Teshigawara und Rihoko Sato tanzen „Tristan und Isolde“
Es ist zwar nur ein sechsundzwanzigminütiger Ausschnitt aus Saburo Teshigawaras „Absolute Zero“, seinem abendfüllenden Stück, das er zusammen mit der Tänzerin Kei Myata gestaltet, aber es ist gewissermaßen das Gen, aus dem die ganze Produktion erwächst. Und so isoliert betrachtet, mutet es wie ein aus dem Fernen Osten herüberwehender Gruß an George Balanchine und seine „Serenade“ an. Zumindest am Anfang, wenn Teshigawara, in mönchisches Schwarz gehüllt, aus der Profilhaltung, beleuchtet nur sein einer nackter Arm und der kahle Schädel, den Arm langsam, ganz langsam – zur segnenden Geste hebt: ein Moment der Weltschöpfung, erinnernd nicht nur an Balanchines Eröffnungsgeste in „Serenade“, sondern darüber hinaus auch an Michelangelos berühmtes Fresko in der Sixtinischen Kapelle, aber eben aus einer ganz anderen, der unseren diametral entgegengesetzten Geisteshaltung.
Und diese Geste pflanzt sich fort, durchläuft wellenartig den Körper, belebt auch den anderen Arm und projiziert sich in den Raum, wird gespiegelt in der Gestik der hinten sitzenden Tänzerin, die aber nur Bruchstücke aufnimmt. Es ist ein strenges Ritual der Langsamkeit, das Teshigawara da zelebriert, in unendlicher Ruhe – eben: am absoluten Nullpunkt der Bewegung. So fremdartig es uns auch anmutet, so magisch zieht es uns in seinen Bann, so widerstandslos geben wir uns seinem Sog hin, entledigt allen realen Zeitbewusstseins, die Sinne wie narkotisch eingenebelt – auch von den sanften Klavierklängen, die von einem Geistesbruder Schuberts aus dem Fernen Osten stammen könnten. Es fehlt in dieser hoch poetischen Verfilmung, die wieder von Jan Schmidt-Garre stammt (von dem wir kürzlich, ebenfalls mit Teshigawara, „Der Gefesselte“ sahen – siehe koeglerjournal vom 11. April) der Gegenpol der rasenden Beschleunigung, aber sie entfaltet (von japanischen Kameramännern fotografiert) auch in der Isolation ihren ganz eigenen Reiz, dem man sich schwer entziehen kann, wenn man einmal diese Droge Teshigawara konsumiert hat. Morgen, Sonntag, also um 20.15 Uhr, bei arte im Fernsehen.
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