Man muss die Arbeit lieben
Ein Interview mit Richard Wherlock
Ausgeträumt der Traum vom American Way of Life, der geradewegs in eine paradiesische Zukunft führt! Am Ende der ruhmvollen Ära Alfred Wopmann als Intendant der Bregenzer Festspiele steht die spannendste, minutiös durchgearbeitete Produktion, die es je auf der monströsen Seebühne zu sehen gab: Leonard Bernsteins „West Side Story“ – ein Wunderwerk der Theaterlogistik, auch wenn sich Angela Reinhardts Begeisterung in Grenzen hielt (tanznetz vom 17.7.).
Genial das Bühnenbild von George Tsypin: der steil in den Himmel ragende Ground-Zero-Schrott-Tower aus Stahl, Chrom und Neon mit seinen fingerkrallend verbogenen Ausläufern auf dem Boden. Diesen Ansatz greift die Inszenierung von Francesca Zambello leider nicht auf. Statt einer After-September-11-Perspektiverweiterung in die inzwischen ja eher noch bedrohlicher gewordene Gegenwart bietet sie eine auch kostümlich (Marie Jeanne Lecca) und choreografisch (Richard Wherlock) leicht historisierende Musical-Anthologie – dies allerdings in theatralisch perfekter Form. Von der sich sogar Wherlock hat anstecken lassen, dem sie ein Timing aufgenötigt hat, dass man fast vergessen kann, ein wie wenig musiksensibler Choreograf er im Grunde ist (im Bunde mit Forsythe und Godani – im Kontrast zu van Manen, Kylián, Spoerli, Neumeier und Morris).
Auch hier hält er sich eng an seine Firmenmarke der massiven frontalen En-face-Attacke, bedient sich aber eines für seine Verhältnisse enorm ausgeweiteten Schrittvokabulars (dessen viel monierte klassische Entlehnungen im Pas de deux man auch als utopische Verklärung des Harmonie-Ideals interpretieren kann – der Vergleich mit „Schwanensee“ und „Dornröschen“ ist lächerlich). Getanzt, gesungen, gesprochen und agiert wird ausnahmslos, auch wenn es naturgemäß gewisse Qualitätsunterschiede gibt, wie wenn alle Darsteller vorher noch einmal an ein Hochspannungsaggregat angeschlossen worden seien. Das verleiht der Aufführung einen kraftvollen Drive, der bis zum Schluss anhält. Wobei die eindrücklichsten, bewegendsten Momente die einer atemlosen Stille sind.
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