Von den großen Ballettintendanten

Zur Verabschiedung von Wolfgang Gönnenwein als Ludwigsburger Festspielchef

oe
Ludwigsburg, 23/11/2004

Nein, nicht die großen Fünf sind gemeint: die Anderson, Forsythe, Liska, Malakhov und Neumeier – als Intendanten ihrer eigenen Kompanien. Sondern die Intendanten hinter den Ballettchefs ihrer Häuser. Die Ballett-Ermöglicher sozusagen. Deren gab es nicht sonderlich viele in dem guten halben Jahrhundert meiner professionellen journalistischen Aktivitäten. Und es gab natürlich auch solche, die ihren Ballettdirektoren das Leben nicht gerade erleichtert haben – ich denke da beispielsweise an Wolfgang Sawallisch in München und an Wiens amtierenden Ioan Holender.

Einer der ersten, an die ich mich positiv erinnere, war beispielsweise Friedrich Schramm, der Wazlaw Orlikowsky von Oberhausen nach Basel geholt hat und die bis dahin eher vor sich hin dümpelnde Stadt geradezu ballettverrückt gemacht hat. Mit großem Ballettehrgeiz hat dann auch Oscar Fritz Schuh sein Intendantenamt in Köln angetreten und zur Verwirklichung seiner Pläne Aurel von Milloss in die Domstadt verpflichtet, doch verlagerte sich das Tanzinteresse der Stadt rasch weg vom Opernballett auf die Sommerakademie des Tanzes und den Choreografischen Wettbewerb.

Der Ballettintendant mit dem sichersten Instinkt für die damals bei uns so enorm in die Breite schießende Ballettbegeisterung war indessen Grischa Barfuss, der erst in Wuppertal und dann in Düsseldorf mit Erich Walter und Heinrich Wendel (nebst dem sehr ballettengagierten Dramaturgen Rolf Trouwborst) dafür sorgte, dass beide Städte zu ersten Ballettadressen in Deutschland avancierten. Dann träumte Rolf Liebermann davon, Hamburg zu einer Art deutschen Filiale des New York City Ballet zu machen und verpflichtete als Statthalter Balanchines Peter van Dyk – aber das blieb ein eher halbherziges Unternehmen.

Der erfolgreichste Ballettintendant Deutschlands war aber zweifellos Walter Erich Schäfer, der als Nachfolger des bereits gute Pionierarbeit leistenden Nicholas Beriozoff John Cranko nach Stuttgart holte – noch kaum ahnend, was für ein Coup ihm damit gelungen war, der ihn dann aber mit all seinen ihm zur Verfügung stehenden Kräften förderte. In Berlin hätte es ihm Rudolf Sellner an der Deutschen Oper gern nachgetan – auch Günther Rennert in München versuchte, das Stuttgarter „Modell“ zu kopieren – beide gaben den Versuch aber bald wieder auf. Ein tatkräftig seinen Juniorchoreografen unterstützender Ballettintendant war dann Horst Statkus in Basel, der für Heinz Spoerli den Boden bereitete, so dass Basel einen zweiten Ballettfrühling erlebte.

Unterdessen machte Arno Wüstenhöfer in Wuppertal als Entdecker und Förderer von Pina Bausch – na ja, nicht gerade Ballett-Furore, wohl aber wurde er zum Initiator der Tanztheaterbewegung. Nicht auszudenken, wie denn wohl die Ballettentwicklung in Deutschland weiter verlaufen wäre, wenn es August Everding gelungen wäre, seinen „Ziehsohn“ John Neumeier von Hamburg mit nach München zu nehmen – aber gegen Sawallischs Ballettaversion konnte er sich letzten Endes nicht durchsetzen (das gelang dann erst Konstanze Vernon mit diplomatisch fein eingefädelter ministerieller Unterstützung). Eher halbherzig blieben auch die Ballettambitionen von Claus Helmut Drese in Wiesbaden, Köln, Zürich und Wien – wie die ja immer wieder einmal ansatzweise unternommenen Versuche seiner Kollegen in vielen anderen Städten.

In Hamburg schaffte Neumeier seinen internationalen Aufstieg aus eigener Initiative, ohne dass er von den Everding-Nachfolgern wirklich engagiert unterstützt worden wäre. Lediglich in Stuttgart gelang es Schäfer mit Cranko der Stadt ein eigenes Ballett-Bewusstsein gewissermaßen zu oktroyieren und so fest zu etablieren, dass auch seine Nachfolger nicht umhinkamen, diesen Tatbestand zu respektieren. Und so wurden hier erst Hans-Peter Doll und dann auch Wolfgang Gönnenwein zu legitimen Ballettintendanten, die sich der hauseigenen Kompanie mit ausgesprochener Sympathie annahmen. Gönnenwein allerdings hatte schon vor seiner relativ kurzen Zeit als Generalintendant der Württembergischen Staatstheater in Ludwigsburg als Leiter der dortigen Schlossfestspiele sein Herz für das Ballett entdeckt und seit 1978 bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder die diversen Spoerli-Kompanien erst aus Basel, dann aus Düsseldorf und bereits mehrfach auch aus Zürich in die Residenzstadt Carl Eugens eingeladen.

Inzwischen sind die Ludwigsburger Schlossfestspiele dank Gönnenweins Initiative auch zu einer der ersten deutschen Adressen für experimentelle Tanztheaterkompanien aus aller Welt geworden. Also verleihen wir ihm – analog zu der ihm jetzt vom Ministerpräsidenten bei seinem Abschied überreichten Staufer-Medaille in Gold – den von uns gestifteten virtuellen Cranko-Taler in Gold (und hoffen, dass sich sein Ludwigsburger Nachfolger Wulf Konold ebenso engagiert für den Tanz in all seinen Facetten einsetzen wird)!

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