Abschied von Judith Turos

Sechster und siebter Abend der Ballettwoche

München, 02/04/2005

Nach dem Gastspiel der Limón Dance Company und der „Romeo und Julia“-Vorstellung von Lacarra und Malakhov, die mich – zugegebenermaßen als einzigen Kritiker, dessen Bericht mir bis jetzt bekannt ist – herb enttäuscht hat, goss der 31. März mit einer erneuten Aufführung von „Limb´s Theorem“ neuen Glanz über das Bayerische Staatsballett. Immerhin ist die jetzt laufende Ballettwoche die erste, in der ein solches abendfüllendes Forsythe-Stück gezeigt werden kann. Und man konnte sehen, dass immer neue Tänzer eingesetzt werden und immer mehr Tänzer, die sonst im Corps solide dienen, zu außergewöhnlichen Leistungen aufblühen. Neben den bekannten Größen Lisa-Maree Cullum, Alen Bottaini und Lukas Slavický waren es diesmal Irina Dimova, Jade Dardano, Suzannah Zahradnikova und vor allem Ryan Ocampo, die begeisterten. Sie und das gesamte Ensemble schafften es, die Lust und den Beat von Thom Willems elektronischem Sound selbst auf ein mit tausend Abonnenten gespicktes Publikum zu übertragen.

Am Tag darauf, dem 1. April, folgte mit „Portrait Hans van Manen“ noch eine Ballettwochen-Erstaufführung als weitere Errungenschaft dieser Spielzeit. Elegant und sinnlich eröffnete „Fünf Tangos“ mit Lisa-Maree Cullum und Alen Bottaini im Zentrum diesen choreografisch großartigen Abend, gefolgt von „Two“, magnetisch anziehend zelebriert von Lucia Lacarra und Roman Lazik. Dann folgte mit „The Old Man and Me“ mit Judith Turos und Ivan Liska das solitäre Duett für reife Tänzer. Auch dieses Mal kamen sie den Zuschauern in der Entwicklung ihrer Beziehung zueinander so nah, dass man am Ende, wenn sie die Bühne verlassen haben und diese noch einmal beleuchtet wird, die Leere dieses Raumes so intensiv fühlte, wie man das sonst nie empfindet. Und gestern ging dieses Gefühl noch tiefer!

Darauf folgte das famose „Solo“-Feuerwerk, von Lukas Slavický, Ryan Ocampo und Wlademir Faccioni in seinen individuellen Mitteilungen noch extrovertierter aufgepeppt als bisher. Und schließlich „Black Cake“, die Champagner-perlende Party mit den Hauptpaaren Irina Dimova/Alen Bottaini, Sherelle Charge/Roman Lazik und Lucia Lacarra/Norbert Graf: In diesem finalsten aller Finalstücke bewies Lacarra zickig, melodramatisch und doch dezent, dabei tänzerisch überragend, durch elegante Dynamik, Witz und Ausdrucksstärke faszinierend, das sie zu Recht als großartige Tänzerin gefeiert wird. Es blieb auch der Eindruck, was für ein großartiges Repertoire sich das Staatsballett erarbeitet hat, und wie gekonnt alle seine Tänzer von einem auf den anderen Tag die Bewegungssprachen wechseln: Gestern Forsythe, heute van Manen, und morgen Petipas „Dornröschen“, um nur die letzten drei Tage zu nennen.

Im Anschluss an „Black Cake“ verabschiedete Ivan Liska die Kammertänzerin Judith Turos. 24 Jahre hatte sie am Staatsballett getanzt, davon 20 als Erste Solistin. Gerade eben noch hatte sie gezeigt, wie sie als Vollblut-Darstellerin eine über 2000 Menschen große Zuschauermenge mitreißen kann – was sie in ihrer langen Karriere unzählige Male getan hat. Während die Tänzerkollegen noch in den Kostümen der verschiedenen van-Manen-Stücke hinter ihr im Halbkreis standen, zeichnete Ballettdirektor Ivan Liska ihr Leben und künstlerisches Schaffen nach. Gleichzeitig zeigten Dia-Projektionen aus dem zu ihrem 20-jährigen Bühnenjubiläum im Jahr 2001 erschienenen Personality-Buch schöne Fotos aus allen Stationen ihrer Karriere. Ihre Leidenschaft für den Tanz wird sie jetzt als Ballettmeisterin in der Sorge für andere ausleben - und mit der Erleichterung, dass es also kein Abschied vom Menschen Judith Turos wird, präsentierte Ivan Liska die drei Helden von „Solo“ als eine beispielhafte Einstudierung von Judith Turos. Blumenregen und Standing Ovations zum Abschied, und tief empfundener Dank für große Stunden!


Besprochene Vorstellungen: 30. März und 1. April
Lesen Sie auch das Interview , das Karl-Peter Fürst mit Judith Turos führte.

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