Ein Triumph der Jugend
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Ashton-Programm: "Scènes de Ballet" - "Dante Sonata" - "Enigma Variations"
Die „Dante Sonata“ von 1940 markiert Frederick Ashtons „Ausreißer“ mit Anklängen an Isadora Duncan und den Ausdruckstanz. Mit „Scènes de ballet“ (1948) bewegt er sich wieder im fast reinen klassischen Fahrwasser, das er auch in „Enigma-Variations“ (1968) grundsätzlich nicht verlässt, aber mit Abweichungen bereichert. Mit diesem Ashton-Programm gastierte das Birmingham Royal Ballet bei den Hamburger Ballett-Tagen. Was liegt auch näher für ein Ensemble von der Insel als Choreographien von Sir Frederick Ashton (1904-1988), der jahrzehntelang beherrschenden Figur in der britischen Ballettszene, in Deutschland vorzustellen, wo dessen Werke ein Schattendasein führen.
Bei den exorbitant schwierigen Gruppenabschnitten in „Scènes de ballet“, die Strawinsky 1944 „federleicht und verzuckert“ komponierte, zeigt sich, dass das sympathische Ensemble bei den Tänzerinnen gut bestückt ist. Was Ashton an miteinander verquickten Diagonalen, gegeneinander gesetzten Spiralen, Reihen- und Kreisformationen sowie sonstigen verwirrenden Verschiebungen abverlangt, bewältigen die schwarzweiß gekleideten zwölf Frauen in ihren Teller-Tutus und mit schwarzen, strassbesetzten Käppchen meist auf den Punkt. Gut fügen sich die vier ebenfalls schwarzweißen gewandeten Männer ein, wenn ihnen auch die Exaktheit ihrer Kolleginnen etwas fehlt.
Im surrealen Bühnenbild - Chirico lässt grüßen - wirkt die Solistin in ihrem strahlend gelben Kostüm mit Tutu wie ein gewollter Fremdkörper. Nao Sakuma steuert meist sauber durch den technisch haarigen Parcours, kaum jemals erscheint ein Lächeln auf ihrem Gesicht, die Konzentration zwingt ihren Blick nach innen. Die Ausstrahlung einer Ballerina mit quasi feudaler Aura besitzt sie noch nicht, könnte es aber sicherlich mit zunehmender Sicherheit. Sie sticht zudem schon jetzt hervor mit ihrer fraulichen Figur, die sich angenehm abhebt von den oft fast skelettdürren Figuren mancher Kolleginnen.
Auch ihr Partner Robert Parker erreicht nicht die Höhen eines danseur noble, mit den virtuoseren Phasen wie einer Serie von doppelten Lufttouren hat er seine liebe Not, ganz abgesehen von ungestreckten Füßen. Trotz ironischer Schlenker wie Kopfnicken, seitliches Abkippen des Oberkörpers oder Positionswechsel per gehüpfter Changements bleibt die Frage offen: „Was sagt uns Ashtons Scènes heute?“ Gleiches lässt sich noch dringender fragen bei seiner „Dante Sonata“, in der die „Kinder des Lichts“ mit den „Kindern des Dunkels“ kämpfen - zu den Klängen von Lizts Klaviersonate, ins Sentimentale und Bombastische gesteigert durch die Orchestrierung von Constant Lambert.
Barfüßige weibliche Wesen, gehüllt in weiße, bodenlange Gewänder, begleitet von ihren ebenfalls weißen Gefährten wallen über die Bühnen mit emphatischen Gesten und verharren in pathetischen Posen. Finster heroisch erscheinen die dunklen Widerparts, die ihnen den Platz streitig machen. Ashton versuchte laut Programmangabe eine Reflektion auf den gerade ausgebrochenen II. Weltkrieg. Misslungen, manchmal gar unfreiwillig komisch, wie mir scheint, gehört das Stück heute wohl in die Mottenkiste.
Anders die subtilen „Enigma-Variations“ (uraufgeführt 1899), das sorgsam gezeichnete Genre-Bild einer (scheinbar) liebenswürdigen Epoche in England um die Wende zum 20. Jahrhundert. Ashtons folgt den Spuren Edward Elgars, der Gattin, Verwandte, Freundinnen und Freunde charakterisiert. Hier demonstriert das Birmingham Royal Ballet die Breite seines Ensembles, aus dessen Reihen jeder Typ deckungsgleich besetzt wird. Da ist Robert Parker als Griffith, der eine atemverschlagende Variation mit rasantem „Hakenschlagen“ abliefert, dass die Funken stieben - fast so gut wie die Originalbesetzung Anthony Dowell. Oder Kosuke Yamamoto als Sprung- und Drehteufel Sinclair, Christopher Larsen als heftiger Baker. Silvia Jiminez verleiht der Lady sanfte Güte in der Sorge um ihren angebeteten Gatten Edward, dessen Kampf um Inspiration und Erfolg Jonathan Payn die richtige Melancholie verpasst. Victoria Marr verkörpert mit weicher Linienführung die romantische Isabel Fitton, Coral-Anne Millar stellt die Dora Penny mit ihrem „reizenden Stocken beim Sprechen“ plastisch dar, schließlich schwebt Asta Bazeiciùte als Lady Lygon wie eine Sylphide über die Bühne. Dazu gesellen sich skurrile Typen wie der schwerhörige Alte mit seinem Hörrohr.
Sicherlich ist es eine Szenerie, weit entfernt von uns, zeitlich wie geographisch, aber, wer Gespür für die fein ziselierten Bewegungen, für die genaue Profilierung der Personen hat, der sieht das Menschliche. Vielleicht ist Ashton für Großbritannien, was Bournonville für Dänemark bedeutet. Klar ist, dass beide wegen ihrer eindeutig regional bestimmten Profile schwer zu exportieren sind. Die Reaktion des Publikums war daher, kaum überraschend, sehr unterschiedlich: Verhalten bei den „Scènes“, enthusiastischer bei „Dante Sonata“, allerdings „gewürzt“ mit einigen Buh-Rufen, und ziemlich begeistert nach den „Enigma-Variations“. Vielleicht hätten die Birminghamer etwas näher Liegendes wählen sollen, etwa Ashtons „Ondine“ oder „Month in the country“?
Gesehen: Vorstellung am 28. Juni
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