Von der Bühne in den Video-Stream
„Ohne Giovanni. Aber mit Mozart“ von Katja Erdmann-Rajski als Online-Version
In der Stuttgarter Tanz- und Theaterszene ist sie längst keine Unbekannte mehr: die Musikpädagogin, Tänzerin und Choreografin Katja Erdmann-Rajski, die sich in regelmäßigen Abständen auf Stuttgarts Bühnen präsentiert. Kommenden Freitag stellt sie ihre neueste Produktion „Frau im Quadrat“ im Treffpunkt Rotebühlplatz vor. Seit ihrem Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst ist die gebürtige Aschaffenburgerin Erdmann-Rajski in Stuttgart hängen geblieben. Sie verschrieb sich völlig dem Tanz und gab das Musizieren ganz auf. Und das, obwohl sie ursprünglich Pianistin werden wollte und bis Zwanzig noch nie Tanzunterricht genommen hatte. Doch schnell entdeckte sie während des Studiums den Hang zur Bewegung und vor allem auch die Lust, Musik in Bewegung umzusetzen. Sie schloss mit Rhythmik als Hauptfach ab, bildete sich dann privat weiter und lernte bei den großen Vertretern des Ausdruckstanzes, darunter Rosalia Chladek in Wien und Susanne Linke in Bremen.
Bei aller Liebe zum Tanz: Mindestens ebenso wichtig im Schaffensprozess ist für die 44-Jährige die Musik. „Am Anfang steht da eine Idee, wie zum Beispiel bei meinem neuesten Stück das Alter. Mit Musik nähere ich mich dieser Idee, treibe sie weiter.“ Dass Erdmann-Rajski bei der Musikauswahl immer wieder Mut zum Ungewöhnlichen und manchmal auch Unbequemen beweist, zeigt sich auch in ihrem neuesten Stück: Dort setzt die Künstlerin auf die „Wesendonk-Lieder“ von Richard Wagner und Lachenmanns Reigen seliger Geister, die so eingespielt werden, dass sie an der Grenze zur menschlichen Wahrnehmung liegen und vom Zuschauer genauestes Hinhören verlangen.
„Das Lachenmann-Stück war eine Blitzliebe während einer meiner Autofahrten. Es ist so lebensnah, reflektiert das Hier und Jetzt, und das ist ja auch nicht immer einfach. Musik muss mich einfach herausfordern, und ich muss das Gefühl haben, ich habe zu diesen Tönen etwas zu sagen.“ Steht für Erdmann-Rajski erst mal die Musik fest, konkretisieren sich auch die Bilder, Bewegungen, die ihr vorschweben. Allerdings ist die zierliche Tänzerin weit davon entfernt, ihren Tänzern eine feste Struktur aufzupropfen. Ihre Stücke ergeben sich aus der Improvisation. „Die Choreografie ist eine Reise, ein langer Prozess, der sich zwischen meinen Tänzern und mir abspielt. Ich gebe Bewegungsqualitäten vor und sie bieten mir dazu Bewegungen an. Und je nach Persönlichkeit und Tanzerfahrung können die ganz verschieden ausfallen.“
Ihr eigenes tänzerisches Know-how gibt Katja Erdmann-Rajski derzeit als Professorin für Kulturpädagogik und Kulturelle Bildung an der Universität Darmstadt weiter. Dort schult sie ihre Studenten darin, Themen aus dem Alltag, wie zum Beispiel Haare, künstlerisch umzusetzen. Und schickt sie auch mal ins Altersheim, damit sie mit den Senioren tanzen und improvisieren. „Es ist jedes Mal ein Stück Bewegungserfahrung, die ich für meine Choreografien herausfiltere. Mir ist aufgefallen, dass ältere Menschen sich viel kompakter und konzentrierter bewegen. Man will sich festhalten, und wenn es nur an den eigenen Händen ist. Die Bewegungen sind nicht mehr so ausladend, während bei jungen Menschen oft sehr viel Unruhe herrscht.“
Die Tanzbesessene lehrt auch schon mal Kirchenmusiker Koordination und Körperpräsenz, gibt deutschlandweit Workshops, etwa in Klangerfahrung. Denn: „Eine Bewegung kann auch ohne Musik einen Klang haben. Und der Körper ist für mich ein Instrument, das alles spielen kann, was der Komponist sich vorstellt.“
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