Ein überfälliges Thema
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Zum Finale des dritten Movimentos Festivals
Eine stolze Bilanz können die Veranstalter des dritten Movimentos Tanzfestivals vorweisen: innerhalb eines Monats dreiundzwanzig Vorstellungen von sieben renommierten Kompanien, die von über zwanzigtausend Interessenten besucht wurden – nicht nur aus dem nicht sonderlich tanzverwöhnten Umland, sondern auch aus Berlin, aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland. Das spricht einmal für das hochkarätige, dabei gut ausgewogene Programmangebot, das durchaus internationalen Ansprüchen genügte, aber auch für die überaus cleveren Marketingstrategien der Manager, die von den einschlägigen Erfahrungen des Volkswagenwerks profitieren können, das hinter dem Projekt steht.
So ist Bernd Kaufmann und seinem Mitarbeiterteam eine Erfolgsstory zu bescheinigen, die anderen Städten und Konzernen dringend zur Nachahmung empfohlen sei! Zum Abschluss also drei nahezu ausverkaufte Vorstellungen des Zürcher Balletts mit Lin Hwai-mins „Smoke“, das zu Beginn der Spielzeit an der Limmat Premiere hatte und dort inzwischen zu einem Renner geworden ist. Erstaunlicherweise, denn es fällt mit seiner meditativen Poesie so ganz aus den Rahmen des sonstigen Programmangebots – nicht nur in der Schweiz, sondern generell in unseren Theaterlanden. Und so be- und verzauberte es auch die Wolfsburger wieder, die sich seiner stillen Magie hingaben, um sich am Schluss applausstark wieder der Wirklichkeit zu versichern – schweißgebadet wie die Tänzer auf der Bühne an diesem glühend heißen Sommerabend.
Die Vorstellung hat aber auch inzwischen eine Dichte gewonnen, der sich niemand entziehen kann. Und die Zürcher tanzen es mit einer Konzentration und geradezu fantastischen Musikalität, die höchste Bewunderung verdienen – insbesondere auch ihr perfektes Timing, bei dem es mit den ständigen Wechseln von stupender Geschwindigkeit und wie eingefroren wirkenden Gruppenarrangements auf den Bruchteil einer Sekunde ankommt. Und sie tanzen es mit einer so flüssigen Selbstverständlichkeit, die seine technische und stilistische Andersartigkeit völlig vergessen lässt. Und so spannt sich ein einziger Bogen von Ana Carolina Quaresma, die, an den raumbeherrschenden Baum gelehnt, wie die Verkörperung der Stimme eben dieses Baums erscheint, die eine uralte Legende erzählt, bis hin zum Reinigungsritual des Schlusses, wenn sich Itziar Mendizabal aus den Wasser erhebt, eine andere schaumgeborene Nymphe aus fernöstlichen Landen.
Was ist das aber auch für eine Choreografie – von welch einer Reichhaltigkeit, wenn man nur an die rondoartig immer wiederkehrenden, jagenden Walzerpassagen der Gruppe denkt, oder gleich am Anfang an die zuckende Ekstase von Tigran Mikayelyan, der tanzt, als wenn er die ihn heimsuchenden Dämonen abschütteln wolle – oder später dann die nächtliche Szene, mit den grell herausgeleuchteten Händen, Armen und Köpfen – ganz zu schweigen von der herbstlichen Melancholie der herabfallenden Blätter. Welch eine Poesie, welch eine Fantasie – und das an dieser Stelle, an diesem Ort – der vollkommene Gegenentwurf zu einer Umgebung, die sich mit Recht die Autostadt nennt! Eben gerade hier ein wirkliches Festiva – und noch dazu eins, das so ganz auf die humane Bewegung setzt. Schon warten wir voll Ungeduld auf die vierten Movimentos, das Internationale TanzFestival 2006!
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