Ballett mit Juwelen aus der Neuen Welt
Die erste Premiere der Direktion von Manuel Legris in der Wiener Staatsoper
Dies ist ein geradezu abenteuerlicher Mix der Stile und Genres – wahrlich eine Crossover-Produktion, nach der man sich hinterher wie aufs Rad geflochten vorkommt! Allerdings dann, mit dem letzten der acht Kapitel, erlöst wird wie die Heilige selbst, die legendäre, aufs Folterrad geflochtene Märtyrerin Katharina (von Alexandria aus dem 4. Jahrhundert). Sie fungiert als Titelfigur der Twyla-Tharp-Produktion „The Catherine Wheel“ aus dem Jahr 1981 mit der Musik von David Byrne und der Ausstattung von Santo Loquasto in der DVD-Aufbereitung der Warner Music Division auf 51191198782 (87 Minuten).
Im Eingangs-Interview erläutert Tharp, geboren 1941, die seit den achtziger Jahren zu den meist diskutierten Choreographinnen und Regisseurinnen am Broadway, mit ihrer eigenen T.T. Dance Foundation, bei klassischen Ballettkompanien, in Musicals und Filmen gehört, ihre Vorstellungen über die Heilige Katharina als eine Visionärin der unerreichbaren Perfektion und Reinheit in ihrer Verbindung mit Gott. Sie setzt sie hier gleich mit dem Streben einer Tänzerin nach der unerreichbaren Perfektion, für die sie die Computeranimation einer Figur einführt – eine Art Abstraktion aus Leonardo da Vinci, Heinrich von Kleist und Rudolf von Laban, mit einer Prise Oskar Schlemmer. Eine wichtige Rolle spielt eine Ananas – Symbol für das stachlige Folterrad, aber auch für süße Harmonie und Energiespender, darüber hinaus für eine Granate wie die Atombombe und ihre zerstörerische Kraft, weiter steht das Folterrad auch für rotierende Feuerwerkskörper.
Vorgeführt wird eine gründlich verhaltensgestörte amerikanische Seifenopern-Familie, in deren sechs Szenen höchst naturalistisch die Fetzen fliegen. Das ist bei aller Virtuosität und atemberaubenden Kameraführung von einer ermüdenden Langatmigkeit – und, wie gesagt, ein kaum zu glaubender Mix aus klassischer Ballett-Technik, Akrobatik, Musical-Routine, Jazztanz-Anleihen, Pantomime, Slapstick, Vaudeville und Cartoon-Abbreviaturen: ein hoch explosives choreografisches Gemisch mit einem Verzögerungszünder. Wenn der dann allerdings endlich zündet und in einer fünfzehn Minuten langen „Goldenen Sektion“ explodiert, ereignet sich ein tänzerischer Tornado, der mit einer ungeheuerlichen Energie über den Bildschirm tobt, von den Kamikaze-Tänzern des Tharp-Ensembles mit einem Tempo in den Raum projiziert, dass einem Hören und Sehen vergehen. Allerdings bleiben Zweifel, ob dieses „Goldene Zeitalter“ des (amerikanischen) Tanzes nun wirklich die reine Idee des Tanzes jenseits all seiner historischen, idiomatischen und ethnografischen Ausprägungen verkörpert.
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