Alles nur geklaut?

Prozess gegen den Choreografen Christian Spuck und das Stuttgarter Staatstheater endet mit einem Vergleich

Stuttgart, 17/08/2006

Nach „monatelangen Versuchen, eine gütliche Einigung zu erzielen“, wurde es dem Berliner Romanautor Wolfram Fleischhauer zu bunt: Er verklagte Christian Spuck, einen der Haus-Choreografen des Stuttgarter Balletts, und das Stuttgarter Staatstheater auf Urheberrechtsverletzung. Allzu deutlich erschien ihm die Ähnlichkeit zwischen seinem Roman „Die Purpurlinie“ und Spucks Ballett „... , la peau blanche ...“, das am 7. April 2005 im Rahmen des Ballettabends „Tanzsichten III“ in Stuttgart Premiere hatte. Aufmerksam geworden war Fleischhauer durch die damals in der Esslinger Zeitung und auf tanznetz.de veröffentlichte Rezension des Balletts.

„Die Purpurlinie“, erschienen 1996, handelt von der Interpretation eines berühmten, anonymen, im Pariser Louvre ausgestellten Gemäldes aus der Zeit um 1600 mit dem Titel „Gabrielle d'Estrées und eine ihrer Schwestern“: Zwei nackte Frauen sitzen in einer Badewanne, die eine fasst der anderen mit spitzen Fingern an die Brust. Der historische Roman, eine Mischung aus Politkrimi und akribischer wissenschaftlicher Recherche, kommt zum Schluss, dass in dem Bild verschlüsselt ein Mord dargestellt wird und dass die Frau neben Gabrielle d'Estrées nicht ihre Schwester ist, sondern Henriette d'Entragues, auch sie eine Geliebte des französischen Königs Heinrichs IV.

Exakt um den Tod Gabrielles geht es auch in Spucks halbstündigem Ballett, mit exakt der gleichen, hochkomplizierten Personenkonstellation aus Fleischhauers Buch. Dass Spuck und sein Dramaturg Jens Schroth das Ballett auf der Grundlage des Romans entwickelt haben, ist im Grunde kaum widerlegbar, weil der Choreograf neben all den historisch belegten Figuren auch eine fiktive, von Fleischhauer erfundene Gestalt übernommen hat, nämlich den Maler Vignac, damals getanzt und gespielt von Eric Gauthier. Wie Jens Schroth auf Anfrage sagte, wurde „einfach verabsäumt“, von Anfang an auf den Namen Fleischhauer im Programmheft hinzuweisen. Ansonsten war beim Staatstheater niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Der weise Vergleich, den das Stuttgarter Landgericht den beiden Parteien nun auferlegt hat, kann von jeder Seite als Sieg ausgelegt werden: Wolfram Fleischhauer, dem vor dem Prozess laut eigener Aussage „die schlichte Nennung meines Namens“ als Urheber der Geschichte gereicht hätte, bekommt eine Entschädigung vom Staatstheater und die Zusicherung, dass bei zukünftigen Aufführungen von „... , la peau blanche ...“ weder der gesprochene Text noch das seitherige Programmheft verwendet werden dürfen - für ihn das klare Eingeständnis, dass sein Urheberrecht verletzt wurde. Christian Spuck wiederum bleibt ein Schuldspruch wegen Urheberrechtsverletzung erspart.

Dennoch dürfte dieser gerichtliche Warnschuss an den erfolgreichen Choreografen eine gewisse Genugtuung für manche seiner Kollegen bedeuten, bei denen sich Spuck allzu deutlich Ideen ausgeliehen hatte - so bei Marco Santi (für das Stück „this“ beim Berliner Staatsballett) oder bei Marco Goecke (für „The Restless“ bei Hubbard Street 2).

Links: www.stuttgart-ballet.de / www.wolfram-fleischhauer.de
 

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern